INFO THREAD: Das Römische Bankenwesen

Edelmetall-Themen, neue Bullion- und Sammlermünzen, historische Hintergründe, Fachwissen

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Beitrag 04.04.2013, 10:47

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Ladon
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Letzthin war das ja zumindest am Rande mal Thema hier und es wurden einige sehr gewagte Thesen aufgestellt, die sich wahrscheinlich auf die Verengung des Blickwinkels auf das umlaufende Zahlungsmittel zurückführen lassen. Nach meinem Osterurlaub habe ich mal also mal hin gesetzt und das "Archiv" nach ein paar grundlegenden Dingen durchsucht, die das Ganze vielleicht etwas deutlicher erklären.

Ein paar Worte vorneweg:
- im Großen und Ganzen kann ich hier Material für die Zeit vom ersten vorchristlichen bis zum dritten Jahrhundert n.Ch. bieten. Erweiterungen über diesen zeitlichen Rahmen hinaus sind natürlich willkommen.
- hier sollen weder Thesen verbreitet, noch Systeme diskutiert werden, sondern Wissensschnipsel zusammengetragen werden. Schlüsse kann und soll jeder für sich ziehen und Diskussionen darüber sollten an anderer Stelle geführt werden.
- ohne dabei jetzt akademisch verkopfte Fußnotenorgien mit Verweisen und exakten Quellenangaben einzufordern, sollten Aussagen nachvollziehbar begründet sein. Wie gesagt, es geht um Fakten, nicht um Meinungen.
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Beitrag 04.04.2013, 10:58

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Ladon
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Grundsätzliches

Das Geldsystem und Bankenwesen in Rom ist - relativ; angesichts der zeitlichen Entfernung - gut belegt. Insbesondere die reichen Papyrii-Funde aus dem römischen Ägypten haben dazu beigetragen, aber auch die vielen juristischen Texte, die überliefert worden sind. Daher kommt es auch, dass man über den Tellerrand der Historiker hinaus schauen muss, hin zu den Juristen, die in vielerlei Hinsicht durch ihr Studium antiker Rechtsgeschichte (und allen voran natürlich durch M.T.Cicero, aber nicht nur) auch zu dieser Fragestellung einiges beitragen können, um sich den damaligen Verhältnissen zu nähern.

Das römische Bankenwesen erscheint beim ersten Anblick natürlich fremdartig, anders gestaltet und von unseren heutigen Verhältnissen sehr verschieden. Das Instrumentarium, das den Handelnden zur Verfügung steht, ist ein anderes, die Begriffe stimmen nicht mit den heutigen überein. Setzt man die Fragestellung jedoch eine Ebene tiefer an und fragt danach, WAS mit den benutzten Instrumenten erreicht werden soll, werden die Parallelen mehr als deutlich. Aus diesem Grund zunächst ein kurzer Überblick, mit was wir es eigentlich zu tun haben:
Es geht um das "Bankenwesen" eines hoch entwickelten Wirtschaftsraumes, der nach übereinstimmenden Aussagen und der Fundlage, bis in entlegene Gebiete "monetarisiert" war, zwischen 50 und 100 Millionen Einwohner hatte und innerhalb dessen große Anforderungen an das Kreditwesen, den Geldumlauf und weitere Basisfaktoren für die Volkswirtschaft einer hoch arbeitsteiligen Gesellschaft bestanden haben. Was nichts anderes bedeutet, als dass jenes antike Bankenwesen trotz unterschiedlicher Ausprägung doch in weiten Teilen wohl das geleistet haben muss, was man auch heute noch von ihm verlangt. Die verwendeten Mittel mögen sich geändert haben, die grundsätzlichen Anforderungen jedoch nicht.

Jeder Pater Familias war eine "Bank"

Ob es staatliche Wirtschaftspolitik gegeben hat, ist umstritten. In neuerer Zeit geht man (z.B. Drexhage e.a.) jedoch davon aus, dass es das gegeben haben muss, einfach weil der Grad der Komplexität der römischen Wirtschaft dies erforderlich machte. Die für das Funktionieren einer Wirtschaft so wichtige Kreditvergabe ohne die kein Unternehmen existieren kann, liegt jedoch hauptsächlich in privater Hand. Denn "Bank" war im Rom jener Zeit praktisch jeder pater familias, jeder Hausherr. Der führte nämlich ein "Hausbuch", das beileibe nicht mit der Ausgabenliste zu vergleichen ist, die wir vielleicht noch heute als "Haushaltsbuch" im familiären Zusammenhang bezeichnen! Das Hausbuch war ein Dokument, das als Beweis vor der prätorianischen Gerichtsbarkeit herangezogen werden konnte (diverse überlieferte Prozesse belegen das) und in dem vor allem auch der Geschäftsverkehr mit Dritten festgehalten wurde. Insbesondere Darlehen, Kredite, Schuldverschreibungen usw. (davon später noch mehr). Das bedeutet nichts anderes, als dass buchstäblich jeder (also jeder freie Bürger Roms natürlich nur; Männer selbstredend nur) praktisch Bankgeschäfte tätigen konnte.
Es ist nachvollziehbar, dass sich auf dieser Basis professionelle Bankiers entwickelten, Finanziers, große Kreditgeber usw., die aus dieser prinzipiellen Möglichkeit schließlich eine Art "Beruf" gemacht haben.

Der römische Geldbegriff

Die abendländische Gelddefinition geht im Grund auf Aristoteles zurück (Nikomachische Ethik):
„... und darum trägt es den Namen Nomisma (Geld), weil es seinen Wert nicht von Natur hat, sondern durch den Nomos, das Gesetz, und weil es bei uns steht, es zu verändern, und außer Umlauf zu setzen" (Ethik 1133/30). ... „Für einen späteren Austausch ist uns, wenn kein augenblickliches Bedürfnis vorliegt, das Geld gleichsam Bürge, dass wir ihn im Bedürfnisfall vornehmen können".
Zahlungsmittel (Tauschmittel) ist demnach für Aristoteles die grundlegendste Funktion von Geld, Wertmaßstab und Wertbewahrung lassen sich aber ebenfalls bereits ganz am Anfang jeder "Ökonomik" finden (ähnliches auch bei Platon, Xenophon u.a.).
Dabei steht für den alten Griechen eine für sich selbst wertvolle Zwischentauschware als "Geldvehikel" letztlich außer Frage, auch wenn er das "Nominal" als den Wertmaßstab begreift. Und! er erkennt bereits das Problem, das durch "Chrematistik" (soz. die Bereicherung durch bloße Geldakkumulation) entsteht, weil im Grunde nur der Besitz von "Dingen" tatsächlichen Reichtum darstellt.
In Rom umfasst der Begriff "pecunia" (der sich übrigens von "Vieh" ableitet) eindeutig auch die "nomina", also "geldwerte Papiere". Die damals natürlich nicht aus Papier, sondern in Form von Papyri oder den typisch römischen Wachstäfelchen im Umlauf waren (vgl. Kolb, Geld und Finanzkrisen im Imperium Romanum).
Wie eingangs erwähnt, handelte es sich dabei in erster Linie um private Schuldverschreibungen, die in erheblichem Umfang eine Rolle spielten! Kolb nennt Schulden den "Lebenssaft der römischen Wirtschaft" (siehe auch Drexhage, Rollinger und viele andere). Gerade die vielen überlieferten Papyri römisch-ägyptischen Ursprungs, aber auch die "Schuldenkrisen", zeigen, dass dies nicht nur für die Hochfinanz gilt, sondern alle Schichten der Bevölkerung betraf.
Cicero äußert sich ebenfalls in dieser Weise. Er bezeichnet "pecunia" (also ALLE Geldinstrumente zusammen) als "nervus rei publicae", als Lebenskraft des Staates. Dass er in einer Rede vor dem Senat 66 v.Chr. im Zusammenhang mit der Kriegsgefahr im Nahen Osten (er spricht natürlich von der Provinz Asia, aber der moderne Begriff macht die Sache irgendwie "aktueller") den Kreditmarkt in Rom ruinieren könnte, ist ein Bonmont am Rande.

Die Entstehung von "nomina"

Cäsar hatte 25 Millionen Schulden. Cicero lieh sich mehrere Millionen, um ein Haus in einer repräsentativen Wohngegend zu kaufen (das war angesichts seines politischen Ehrgeizes wichtig - er stammte nicht aus "altem Adel", sondern war ein "homo novus", ein Emporkömmling aus der Provinz), Ciceros Gegenspieler Clodius (der Protagonist des Bona-Dea-Skandals) verlieh fast 15 Millionen an einen anderen Aristokraten (Aemilius Scaurus). Das geschah nicht (oder nur in geringem Umfang) "in bar", sondern - "nomina facit, negotium conficit" - durch bloße Ausstellung einer Schuldverschreibung, die das Geschäft abschließt. Eine solche "nomina" wiederum konnte als Zahlungsmittel benutzt werden. Das waren juristisch definierte Begriffe (wie wir gleich sehen werden) und erfüllen, trotz der für uns altertümlichen Wörter, alle Merkmale einer Geldschöpfung "aus dem Nichts", also durch "Bilanzverlängerung" aufgrund einer Kreditvergabe.
Das belegt das juristische Lehrbuch des Gaius:
"Als Sache auf die Person bezogen, erfolgt eine Umschreibung, wenn
ich das was du mir aus Kauf oder Mietvertrag oder Gesellschaft
schuldest, dir zu Lasten [in mein Hausbuch] eingetragen habe."

(Institutiones des Gaius)
Kurz gesagt: Eine solche "nomina" war keineswegs irgendwie mit einer "Deckung" versehen! Und dann dies:
"Von einer Person auf die andere erfolgt eine Umschreibung z.B.,
wenn ich das, was mir Titius schuldet, zu deinen Lasten in mein
Wirtschaftsbuch eingetragen habe, d.h., wenn Titius dich mir an
seiner Statt als Schuldner benannt hat."

(ebd.)
Oder anders ausgedrückt: eine Litteralobligation kann weiter gegeben werden (= als Zahlungsmittel fungieren) - und das eben unabhängig davon, wie sie entstanden ist. Auch wenn sie sich lediglich auf ein Zahlungsversprechen gründet!
Die Institutiones sind ein juristisches Lehrbuch aus dem 2. Jahrhundert - man kann also davon ausgehen, dass hier beschriebene Fälle ("Titius" ist eine fiktive Person, die zur Illustration der Beispiele dient) Standard für die Rechtssprechung sind und keine Ausnahmen. An anderer Stelle finden wir nochmals die klare Aussage zur Zahlungsmittel-Funktion von Litteralobligationen:
"Seht, falls jener [Bankier] dem Titius 10.000 [Sesterzen] schuldet,
dieser ihm jedoch 20.000 schuldet, so wird [folgendes] angewendet:
Falls er dies will, so muss der Titius ihm [nur die] 10.000 mehr
geben als er diesem schuldet ..."

(ebd.)
"Titius" kann also sein Bankguthaben (eine Schuld ist hier immer eine verbriefte, besiegelte Schuld; also in aller Regel ein Eintrag im "Hausbuch") dafür einsetzen, seine Bankschulden "per Überweisung" zu mindern, ohne dass in irgendeiner Form Bargeld fließen muss. Eine "Schuld" zu begleichen ist eine Basisfunktion von Geld. Verknüpft mit den oben angeführten Punkten zur Entstehung der "nomina" wird deutlich, dass Kredit basiertes "Schuldgeld" offenbar eine zentrale Rolle im Wirtschaftsleben gespielt hat.

(Die Übersetzungen der Quellentexte wurden Zwidtmayr; Goldgeld entnommen)
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Beitrag 05.04.2013, 07:26

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Ladon
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Weil die Frage aufkam, hier noch ein paar kleiner Erläuterungen am Rande:

Wie erwähnt stützen sich die Aussagen über das Bankenwesen vor allem auf die Papyrii Funde aus Ägypten und Palästina. Dadurch haben wir zahlreiche Belege für umfangreiche, übliche (!), unbare Zahlung per "Scheck".
Es ist (mir jedenfalls) kein einziger Wrackfund aus der fraglichen Zeit bekannt (weit mehr als 100), bei dem an Bord eine Bargeldmenge gefunden worden wäre, die ausgereicht hätte, eine Schiffsladung Ware zu erstehen. Dem steht z.B. ein ägyptischer Papyrus gegenüber, der einen Millionenkredit an einen Indien-Kaufmann belegt.
Weitere wichtige Quellen sind das Wachstafelarchiv der Bankiers Iucundus aus Pompeij - dem man entnehmen kann, das die ausgereichten Kredite erheblich die in Pompeij aufgefundene Bargeldmenge überschritten - oder der Sulpici Bank in Puteoli. Beide zeigen auch, dass offensichtlich typische "Konsumkredite" mittlerer Höhe für die Mittelschicht absolut üblich waren.
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Beitrag 05.04.2013, 11:10

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Ladon
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Und es geht weiter:

Der Bankenskandal zur Zeit des Commodus (der Kaiser aus "Gladiator"). Der Freigelassene Callistus (später Bischof von Rom) geriet als Leiter einer Bank in Schwierigkeiten und als die Gläubiger ihre Kreditgeldmittel in Bargeld umtauschen wollten, stellte sich heraus, dass dieses einfach nicht ausreichte. Die Kreditgeldmenge überstieg also die Bargeldmenge: Kredite wurden offensichtlich und ohne Zweifel OHNE Bardeckung ausgreicht.
Selbst Ovids Liebesgedichten finden wir Hinweise auf die Geldfunktion der Kreditinstrumente: Wenn man die "Mätresse" nicht in bar zahlen könne, so würde sie eben statt dessen "Schriftliches", also eine Schuldverschreibung, einfordern, schreibt der Dichter.
Wie schon erwähnt ist der Knackpunkt aber, dass solche "nomina" weiter gegeben werden, was sie eindeutig zu einem Umlaufmittel macht. Prominentes Beispiel: Cäsar begleicht Schulden bei Cicero, indem er ihm statt Bargeld Kreditbriefe eigener Schuldner weiter reicht.
"Schuldgeld" lief zweifelsfrei - und allem Anschein nach in riesigen Mengen, weit über das verfügbare Bargeld hinaus - um.

Bei einem Zinssatz, der üblicherweise zwischen 6% und 12% lag, muss man kein Finanzmathematiker sein, um den daraus resultierenden kontinuierlichen Zuwachs an Papiergeld zu sehen.

Hier noch ein Ausschnitt der oben bereits erwähnten Senatsrede Ciceros aus dem Jahr 66 v.Chr. (Übers. nach Dr. Kolb):
Damals, als viele Leute in Asia gewaltige Vermögenswerte verloren, stockte bekanntlich in Rom der Zahlungsverkehr, und so brach der Kreditmarkt zusammen. Unmöglich können ja auch in einem Gemeinwesen viele Leute Geld verlieren, ohne noch mehr Leute mit sich in den Bankrott zu ziehen. Vor dieser Gefahr gilt es den Staat zu schützen. Denn glaubt mir ..., das hiesige Geld- und Kreditwesen, das hier in Rom auf dem Forum seinen Mittelpunkt hat, ist eng verflochten mit jenen Vermögenswerten in Asia; dort kann es nicht zum Krach kommen, ohne das nicht auch hier der Geldmarkt, von denselben Stößen erschüttert, zusammenbricht.


Bargeldverbot: Cäsar untersagte später sogar den Besitz von mehr als 60.000 HS in Gold und Silber ... wie anders als mit "Papiergeld" konnte da ein angehender Senator die für den Senatssitz geforderte Million vorweisen, fragt man sich?

Zur Erinnerung: Das alles geschieht in der guten, alten Zeit Roms, über die man häufig als funktionierendes Paradebeispiel einer EM-Umlaufwährung spricht ...
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Beitrag 05.04.2013, 17:29

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Mithras
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Dazu passend aus dem "Philogelos" (dem altgriechischen Witzebuch aus der Römerzeit), aus dem Gedächtnis:

Hohe See, Sturm - das Schiff droht zu sinken! Des Kapitäns letzte Rettung: "Alles was entbehrlich ist, von Bord!" Die Händler trennen sich schweren Herzens von ihrer Ware, um ihr Leben zu retten. Ein reicher mitreisender Bankier zückt stattdessen sein Schreibzeug und schreibt einen Scheck über ein paar Talente Silber und wirft den ins Meer.

(Hintergrund: ein "Talent" war, wie auch in neuerer Zeit eine "Mark" oder "Pound" oder "Lira", erstmal eine GEWICHTSeinheit: nämlich ca. 27 kg [Silber].
Dieses Motiv gibt's übrigens auch in einem genialen jüdischen Witz: Zum Abschied von einem Adligen werfen gemäß seiner testamentarischen Verfügung seine zwei besten Freunde - ein Deutscher und ein Russe - je 100 Goldmark in sein Grab. Als letzter klettert sein jüdischer Arzt hinunter, klaubt die 10 Goldfüchse auf, schreibt einen Scheck über 300,- GM aus und legt den auf den Sarg: so hat auch er seine 100,- GM gegeben... smilie_11 )

Und ganz "witzlos" hier auch ein numismatischer Beleg für Bargeldloses aus dem Alten Rom: http://www.acsearch.info/record.html?id=20977 (Kommentar lesen! - die Legende "RELIQUA VETERA HS NOVIES MILL ABOLITA" heißt übrigens übersetzt: "Die alten 9 Millionen Sesterzen [Schulden (aus den Zwangs-Kriegsanleihen Traians)] wurden erlassen." - 100 Sesterzen waren übrigens 1 Aureus, und der war damals recht genau 7,2 g Feingold: 9 Mio. HS sind demnach ca. 650 kg Goldäquivalent.)
Goldigste Grüße,

Euer Mithras, der Goldjunge

Und nicht vergessen: "Papiergeld kehrt früher oder später zu seinem inneren Wert zurück: Null." [Voltaire, 1694-1778]

Beitrag 07.04.2013, 08:21

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Ladon
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Wie bei vielen Witzen steckt da schon einiges an "Wahrheit" drin ...

Zeigt die Sache doch wunderbar, dass die Qualität eines Zahlungsmittels - ob es also sinnvoll, nützlich und hinsichtlich seiner Aufgaben "gut" oder "schlecht" ist - nicht mit der Geldfunktion an sich verwechselt werden darf.
Papiergeld (und das sei mal alles, was irgendwie eine verbriefte Schuld ist, deren Urkunde weiter gegeben werden kann - vom Kreditbrief bis zur Banknote) entfaltet grundsätzlich nur eine Wirkung wenn es umläuft. Gehortet ist es wertlos. Daher kann man auch es beliebig ausgeben, wenn der Rückfluss garantiert nicht zustande kommt (indem man den Scheck ins Meer wirft z.B.). Dadurch kommt kein wirklicher Verlust zustande, weil es nur durch den Umlauf, sozusagen per Vertrag mit den anderen Marktteilnehmern, einen praktischen Nutzen erhält.
Warengeld hingegen - zumindest in sehr weit gefasstem Rahmen und wenn es aus Edelmetall ist - immer einen Abnehmer finden wird. Überall.

Gleichzeitig verdeutlicht der antike Witz jedoch auch, dass das Hantieren mit Papiergeldinstrumenten offenbar weit, allgemein, verbreitet ist und ein gewisses Verständnis für seine Funktionsweise bis in die Alltagskultur des Witzes vorliegt. So alltäglich eben, dass man Witze darüber machen kann.
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Beitrag 07.04.2013, 11:26

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Mithras
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@Ladon, Du hast genau erfaßt, was ich meinte. Im Inlandsgeldverkehr war spätestens ab dem Hellenismus (und vor allem bei den Römern bzw. Frühbyzantinern, die ja geschichtsphilosophisch dem Hellenismus mit zuzurechnen sind) "Papier" gang und gäbe. (Die Gänsefüßchen jetzt, weil das Schreibmaterial in concreto natürlich noch was anderes war....)

Nur beim Fernhandel sah das anders aus. Die Inder interssierte für ihre Gewürze und Elfenbein der "Zettelkram" der Römer genauso wenig wie die Chinesen für ihre Seidenstoffe. Die wollten Gold sehen! Damals wie heute. Und genau deshalb finde ich seit ca. 15 Jahren die Befassung mit den Münzen der Vôlkerschaften entlang der Seidenstraße viel spannender als das, was ich die vorherigen 15 Jahre meiner numismatischen Karriere gemacht habe, nämlich "nur" die Auswirkungen(!) des permanenten Goldflusses von West nach Ost zu betrachten (wie besonders exemplarisch die Hochinflation der römischen Soldatenkaiserzeit - speziell der 2 Jahrzehnte von ca. 250-270/1 u.Z.).
Goldigste Grüße,

Euer Mithras, der Goldjunge

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Beitrag 07.04.2013, 12:59

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amabhuku
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@Mithras, habe kürzlich das Buch von Höllmann "Die Seidenstrasse" gelesen, in anderen Publikationen (Zeitschrift Primitivgeld z.B.) ist das auch nachzulesen.
Gold war nur Verrechnungseinheit, mitgeführt zum Bezahlen (Wegzehrung/Unterkunft) wurde Silber oder Ware wurde selbst getauscht.
Beispiel: Ein Venezianer Kaufmann reist mit Waren und Silber nach China, bekommt dort vom Herrscher Papier mit Siegel. Direkt-Verkauf als Europäer auf Märkten im chinesischen Herrschaftsbereich war Jahrhunderte illegal, ging nur über Kaiser und seine Mittelsmänner.
Mit dem Papier konnte der Kaufmann dann waren in China kaufen für die Rückreise.
Das zusätzlich mitgeführte Silber wanderte auch in die Schatztruhe des Kaisers.
Dafür gab es unter Umständen Gold, meist aber Papier. Silber war wertvoller als Gold in Asien und in Venedig umgekehrt.

Auf den Rückweg konnte der Kaufmann dann in den anderen Seidenstrassenländern seine Zettel in Gold oder andere Ware wechseln. Die Inder beispielsweise haben also Zettel aus China genommen (!).
Gold haben die Kaufleute nur wieder zurückgeführt nach Europa.

Umrechnungseinheit Goldflorin in Silbersommi. 5 Goldflorine waren etwa ein Silbersommi.

Beitrag 08.04.2013, 14:43

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Ladon
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Sehen wir doch mal ganz emotionslos nach, was wir an konkreten Hinweisen haben, in welcher Form die großen Investitionen im Fernhandel getätigt wurden.
Ich denke, die Idee dass das Metallgeld im Falle einer funktionierenden Umlaufwährung im Großen und Ganzen tatsächlich im Umlauf befindet. Und dann fließt es nämlich nicht durch die "big deals", sondern von Händler zu Händler, auf der Ebene des täglichen Verkehrs. Ein Zahlungsmittel, das man von einem Unbekannten akzeptiert.
Auf purem Vertrauen basierender Kreditgeld- und Giralverkehr ist ja dann später auch ein Merkmal der mittelalterlichen, internationalen Märkte. Innerhalb der Hanse konnte ein Kreditgeldwesen funktionieren, weil der Verlust des Kredits innerhalb der Gemeinschaft katastrophal wäre. Für den römischen Fernhandel haben wir also das komplette Instrumentarium für internationalen "Bankenverkehr" einerseits; den realen Metallabfluss andererseits; der aber durchaus über weite Strecken praktisch auf Einzelhandelsebene erklärbar ist.
Gab es also die mit Denaren und Solidi beladenen Karawanen nach Osten? Die Schiffsfunde sprechen, wie erwähnt, gegen einen solchen Bargeldverkehr - die Geldfunde z.B. in Indien belegen ihn jedoch.
Nur könnte er auch in den privaten Geldbeuteln reisender Kleinhändler, schrittweise sozusagen, vollzogen worden sein und muss an sich kein Beleg für den Bargeld (also Metallgeld in diesem Fall natürlich) gestützten Fernhandel sein.
Zuletzt geändert von Ladon am 13.12.2013, 08:09, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag 09.04.2013, 07:14

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Ladon
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Nachdem doch ein paar Mitleser per "Leserbrief" um Fortsetzung gebeten haben, will ich nochmal kurz den Stand der Dinge zusammen fassen:

Ganz zu Anfang wurde bereits erwähnt, dass man sich natürlich darüber bewusst sein muss, dass vor 2.000 Jahren manche Dinge anders benannt wurde im Zusammenhang mit dem Bankwesen und die Instrumente der "Hochfinanz" auch in einem für uns fremdartigen Kontext eingebettet waren.
Das römische Bankenwesen spiegelt natürlich auch die Gesellschaft wider - mit ihren Abhängigkeitsstrukturen bis zur Sklaverei, dem Klientelwesen und - vor allem hier - der Erscheinungsform von Banken.
Wie eingangs erwähnt, war durch die Rechtslage und die fast schon sprichwörtliche Vertragsliebe der Römer praktisch jeder Hausvater faktisch ein Bankier, weil ...
- das Hausbuch ein justizfähiges Dokument darstellte,
- in das "nomina", also Schuldverschreibungen, eingetragen werden konnten,
- die auf reinen Schuldversprechen basierten
- und überdies vor der prätorianischen Gerichtsbarkeit Bestand hatten.

Insofern ist damals natürlich jeder Schuldschein "privat" ... aufgrund der Rahmenbedingungen aber gleichzeitig auch institutionell. Forderungen und - was an dieser Stelle wichtig ist - umlauffähige Litteralobligationen hatten "staatlich" garantierten Zahlungsmittelcharakter, da sie Schuld mindernd eingesetzt werden konnten.

All das ist oben anhand des zeitgenössischen juristischen Lehrbuches des Gaius nachweisbar, wird prominent von Cicero bestätigt, lässt sich diversen Prozessakten entnehmen. Kurz: Ist außerordentlich gut belegt.
Und wenn wir hier auch andere "Worte" vorliegen haben, wird doch FAKTISCH die Vergleichbarkeit mit heutigen Instrumenten offensichtlich:
a) die prinzipielle Möglichkeit der Entstehung eines Guthabens durch Kreditvergabe (bzw. Bilanzverlängerung). Mit diesem Bilanztrick wird heute auch FIAT-Geld geschöpft.
b) die staatliche Garantie der Schuldminderungsfähigkeit eines solchen Guthabens (= man kann damit Schulden bezahlen, darüber gibt es KEINEN Zweifel. Es handelt sich zweifelsohne um ein Zahlungsmittel, mithin um Geld) ist zwar kein Annahmezwang, wie wir ihn heute mit unserem umlaufenden Kreditgeld kennen, jedoch eine deutliche "Vorform", die für sich im Geschäftsverkehr die erforderliche Sicherheit schafft.

Wir haben also zweifelsfrei ein Bankwesen, das im Stande ist mit den ihm eigenen Instrumenten eine Kreditgeldsphäre zu schaffen, die unabhängig vom umlaufenden Zahlungsmittel des täglichen Bedarfs ist.
Das ist an sich ja schon ziemlich bemerkenswert, stellt für sich allein aber keineswegs (was u.a. fälschlich unterstellt wurde) eine Bewertung dieses Zahlungsmittels dar! Das ist überhaupt nicht Thema hier, wo es ja ums Bankenwesen gehen soll, nicht um Sinn oder Unsinn, Güte oder Fehlbarkeit eines bestimmten Zahlungsmittels.


Ungeklärt blieb bis jetzt, ob sich der Fernhandel auf Bargeldtransaktionen oder Kreditinstrumente stützte. Oben kamen zwei Hinweise auf die "Seidenstraße" - es wäre toll, wenn da jemand noch was greifbares beisteuern könnte. Von meiner Seite hatte ich schon erwähnt, dass zumindest bei den Wrackfunden jener Zeit keine großen Bargeldbestände gefunden werden konnten - was zumindest ein Indiz gegen umfangreichen Bargeldverkehr ist.
Erwähnt wurde dann noch, dass der unzweifelhaft vorhandene Edelmetalltransfer in den Osten (römische Denare in Indien usw.) nicht zwangsläufig durch große Bargeldtransfers erklärt werden muss. Das kann auch Schritt für Schritt, Land für Land, Händler für Händler quasi einsickern, wenn enge Beziehungen bestehen.

Die Frage, ob die "Hochfinanz" über ausgedehnte "Horte" an Bargeld verfügte, aus denen die big deals mit dem Osten gespeist wurden, ist schon sehr interessant! Sie führt uns nämlich dazu, zu erahnen, ob wir es damals eben mit einem anderen Bank-/Geldwesen zu tun hatten - eines, dessen Bargeldversorgung "anders" funktionierte als in modernen Zeiten - oder wir im Grunde doch, wie in so vielen Bereichen, heute das direkte römische Erbe sehen. Letzteres würde bedeuten, dass man in Geldsystemfragen schlichtweg tiefer graben muss als nur bis zum "Geld" des täglichen Verkehrs. Und dass eine Fokussierung darauf zu kurz greift.

Dazu gehört auch zu beachten, dass Edelmetall als Geld insbesondere von
- fremden "Staaten" (Zahlungen an Herrscher in Grenzgebieten)
- den Legionären und Söldnern
gefordert wird, die davon abhängig sind, dass ihre Bezahlung "überall" Wert besitzt. Während sich im bekannten Umfeld (auch unter Fernhändlern) historisch eigentlich immer Kreditinstrumente bildeten - klar, wenn's geht, benutzt man im Verkehr natürlich das "schlechtere" Geld, während man das "gute" lieber im Kasten lässt. (Wie Greshams Gesetz sagt.)

Wenn verfügbar bitte ich also um weiter Infos zum Waren- und Geldfluss über die "Seidenstraße" (bzw. die Nordroute o.ä. - das ist ja egal, wo genau die nun gelaufen sind) für den fraglichen Zeitraum.
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