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Stand: 19.06.2020 von Hannes Zipfel
Der geldpolitische Ausschuss der altehrwürdigen Zentralbank Großbritanniens und Nordirlands, die Bank of England, hat auf ihrer heutigen Sitzung beschlossen, den Leitzins unverändert bei 0,1 Prozent zu belassen und ihr Anleihekaufprogramm deutlich aufzustocken.
Britische Notenbank stockt Anleihekaufprogramm um 100 Mrd. Pfund auf

Die alte Dame betreibt „moderne“ Geldpolitik

In der wunderschönen Threadneedle Street in London, vis-à-vis zur London Stock Exchange, tagte heute der geldpolitische Ausschuss der Bank of England (BoE) unter der Leitung ihres neuen Präsidenten Andrew Bailey.

Der Cambridge-Absolvent leitet die 326 Jahre alte Notenbank erst seit Mitte März dieses Jahres als Nachfolger des kanadischen Bankers Mark Joseph Carney, der zum Amtsantritt im Jahr 2013 mit erst 48 Jahren einer der jüngsten Notenbankpräsidenten aller Zeiten war.

Sein Nachfolger ist 61 Jahre alt, verfolgt aber mit der aktuellen Politik des Nullzinses und des digitalen Gelddruckens einen Ansatz gemäß der „modernen“ Geldtheorie, nach der man mit Gelddrucken alle Probleme lösen kann.

Doch ob Gelddrucken allein ausreicht, die Herausforderungen, mit denen Großbritannien von der Deindustrialisierung über den Brexit bis hin zur aktuellen Coronakrise konfrontiert ist zu meistern, bleibt fraglich. 

Der erste Präsident der Bank of England, Sir John Houblon (1632-1712), würde sich angesichts der heutigen Methoden seines altehrwürdigen Institutes, das einst über die Weltleitwährung wachte, wohl im Grabe herumdrehen. Seit Konterfei zierte bis zum Jahr 2003 die Rückseite der 50 Pfund-Note. Abgelöst wurde er von Alan Turing, dem Vater der Computerwissenschaft. Die Vorderseite ziert damals wie heute der Kopf der britischen Monarchin.

120 Präsidenten der Bank of England später gehören die „modernen“ Instrumente, wie Null- und Negativzinsen und überbordende Geldmengenausweitung zum Standardrepertoire der Notenbanker.

Anders ist die Wirtschaft auch im Vereinigten Königreich in Zeiten multipler Krisen und historisch hoher Verschuldung nicht mehr zu stabilisieren.

100 Milliarden Pfund zusätzlich

Das aus neun Mitgliedern bestehende Monetary Policy Committee (MPC) war einstimmig dafür, den Leitzins bei 0,1 Prozent zu belassen und das bestehende Programm in Höhe von 200 Mrd. Pfund für Käufe britischer Staatsanleihen und Unternehmensanleihen, finanziert durch die Ausgabe von „Zentralbankreserven“, beizubehalten.

Der Ausschuss stimmte mit einer Mehrheit von 8 zu 1 Stimmen dafür, den Zielbestand an gekauften britischen Staatsanleihen, um weitere 100 Mrd. Pfund zu erhöhen, was den Gesamtbestand an Anleihekäufen auf 745 Mrd. GBP erweitert. 

Der Goldpreis in Pfund stieg heute um 5 Pfund von 1.375 auf 1380 GBP/Unze an und befindet sich damit nur noch knapp viereinhalb Prozent von seinem Allzeithoch in Pfund vom 18. Mai 2020 entfernt.

Hoffnung keimt auf

Die Notenbanker begründen in ihrem schriftlichen Statement die Ausweitung des Gelddruckprogramms mit den anhaltenden Abwärtsrisiken für die globale Wirtschaft, unter anderem wegen der sich fortsetzenden Verbreitung der Covid-19 Seuche in Schwellenländern sowie zuletzt wieder höherer Infektionsraten in einigen Industriestaaten (USA).

Die britische Wirtschaftsleistung (BIP) brach nach Angaben der BoE im April dieses Jahres um rund 20 Prozent ein, nachdem sie im März um 6 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal gefallen war. Aktuelle Indikatoren deuten jedoch darauf hin, dass sich das BIP allmählich erholen könnte, so die Notenbanker. Die Anzahl von Neuinfektionen an Covid-19 sinkt seit Anfang Mai im Vereinigten Königreich kontinuierlich. Die Konsumentenausgaben haben sich gemäß aktueller Daten bereits spürbar erholt.

Ein weiterer Grund für die zusätzliche geldpolitische Lockerungsmaßnahme war die rückläufige Konsumentenpreisteuerung in Großbritannien. Die jährliche Teuerungsrate ging von 1,5 Prozent im März auf 0,8 Prozent im April zurück und fiel im Mai weiter auf 0,5 Prozent. Damit liegt die Rate deutlich unter der Zielmarke der BoE in Höhe von zwei Prozent pro Jahr und seit März sogar unter der Toleranzabweichung von einem Prozent.


Einig waren sich die Ausschussmitglieder zwar darin, dass der Teuerungsrückgang primär auf die Covid-19-Seuche zurückzuführen ist, aber das Wertpapierkaufprogramm soll dennoch unabhängig vom Verlauf der Pandemie vollzogen werden. Das ist auch kein Wunder, schließlich war die britische Geldpolitik auch schon vor dem SARS-CoV-2 Virus ultralax.

Die eigentlichen Probleme Großbritanniens, wie der Brexit, die mangelnde internationale Wettbewerbsfähigkeit, das marode Gesundheitssystem, die in Teilen marode Infrastruktur sowie die hohe Verschuldung sind schließlich nicht neu, werden aber durch die Coronakrise nun massiv verstärkt.

Unsicherheitsfaktor No-Deal-Brexit

Außerdem muss die BoE nach wie vor die Folgen eines möglichen ungeregelten Brexits im Auge behalten. Nach dem Stillstand der Verhandlungen mit der EU, auch wegen unüberbrückbarer Interessenkonflikte, steht 10 Downing Street massiv unter Zeitdruck. Kommt es bis Ende Juni zu keiner Lösung zwischen den Briten und den EU-Vertretern um den Franzosen Michel Barnier, dann hat Premierminister Boris Johnson nur drei Möglichkeiten:

Die Beantragung einer weiteren Verlängerung der Verhandlungen über den Dezember 2020 hinaus oder doch noch bis Oktober zumindest einen Mini-Deal mit der EU zustande zu bringen. Gelingt beides nicht, ist ein No-Deal Brexit kaum noch zu verhindern.

Die anhaltende Unsicherheit darüber führt zusätzlich zur Coronakrise zu Investitions- und Konsumzurückhaltung, was die ökonomischen Kosten des Brexits weiter nach oben treibt. Ohne die Bank of England wären die Probleme der Wirtschaft des Vereinigten Königreichs jedoch existenzieller Natur. Insofern hatten die heutigen Erben der Lords and Sirs in ihren Ämtern als Gouverneure der Bank of England in London keine andere Wahl, als die Drehzahl ihrer hochmodernen digitalen Notenpresse noch weiter zu erhöhen.

Autor: Hannes Zipfel
Ökonom
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von da drüben komme ich her | 19.06.2020, 15:49 Uhr Antworten

Zitat aus dem Artikel: "Die Notenbanker begründen in ihrem schriftlichen Statement die Ausweitung des Gelddruckprogramms mit den anhaltenden Abwärtsrisiken für die globale Wirtschaft, unter anderem wegen der sich fortsetzenden Verbreitung der Covid-19 Seuche in Schwellenländern sowie zuletzt wieder höherer Infektionsraten in einigen Industriestaaten (USA)."
Ein Schelm, wer Böses aus dem langen Satz deutet. Wie z.B., dass sich die Inselbewohner bereits zu den Schwellenländern zählen. So wie sich der Virus weiterhin ungehindert bei denen ausbreitet ;-P
Könnte auch stimmen, wenn die weiterhin nach den ruhmreichen Zeiten der Ausbeutung, Unabhängigkeit und Kolonialisierung schmachten und nur alles Zukunftsbestreben auf den Finanzsektor ausrichten. Kann ich verstehen, dass dann der A... auf Grundeis geht, wenn der Hauptzukunftstreiber wegzuschwimmen beginnt und selbst der "kleine" Ableger USA anfängt nicht mehr als bester Bruder ever herzuhalten (Unruhen wegen Versklavungen aus der guten alten Zeit). Ich bin gespannt, was die Zukunft für die Briten ergeben wird und auch, was aus den zig Tonnen gelagerten Goldes der Deutschen am anderen Ärmelkanalufer wird.

1 Antwort an da drüben komme ich her anzeigen

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