Deutschland verfügt über die zweitgrößten Goldreserven der Welt. Doch der staatliche Goldschatz schrumpft beständig. Routinemäßig werden jedes Jahr rund drei Tonnen aus den Goldreserven entnommen.
Mehr Staatsgold als Deutschland haben nur die USA. Dort lagern laut dem jüngsten Bericht des World Gold Council (WGC) etwas mehr als 8.133,5 Tonnen des gelben Edelmetalls (Stand 13.01.16). Die Goldreserven des Landes summieren sich demnach auf gut 72 Prozent der gesamten US-amerikanischen Reserven. Auch Deutschland verfügt über einen stolzen Goldschatz. Derselben Veröffentlichung zufolge umfassen die deutschen Goldreserven zu Jahresbeginn exakt 3.381 Tonnen. Der Goldbestand macht somit 66,5 Prozent der gesamten deutschen Reserven aus. Dass Deutschland nach den USA über die zweitgrößten Goldreserven der Welt verfügt ist natürlich nichts Neues und weithin bekannt. Was jedoch nicht jedem gewahr sein dürfte ist die Tatsache, dass der deutsche Goldschatz kontinuierlich schrumpft. Und zwar im Durchschnitt um rund drei Tonnen jedes Jahr.
Deutschland mit schrumpfenden Goldreserven allein auf weiter Flur
Allein im letzten halben Jahr haben die Goldreserven der Bundesrepublik um 3,2 Tonnen abgenommen. Das belegt die Statistik des WGC vom Juni vergangenen Jahres, über die Gold.de berichtet hatte. Demzufolge umfassten die Goldbestände vor sieben Monaten noch 3.384,2 Tonnen (Stand 10.06.15). Lässt man unterdessen den Blick etwas weiter zurück schweifen, etwa ins Jahr 2013, dann stellt man fest, dass die jüngste Schrumpfung der deutschen Goldreserven mitnichten einen Ausreißer darstellt, sondern routinemäßig vonstatten geht. Am 5. August 2013 gab der WGC bekannt, dass die Goldbestände von Deutschland bei 3.390,6 Tonnen lagen. Das sind 9,6 Tonnen mehr als die aktuellen Zahlen und entspricht somit einer jährlichen Schrumpfung von jeweils 3,2 Tonnen. Doch warum schrumpfen die deutschen Goldreserven?
Diese Frage hat durchaus ihre Berechtigung, denn im gleichen Zeitraum blieb etwa der Umfang der US-amerikanischen Goldreserven völlig unverändert auf hohem Niveau. Auch die Goldbestände unserer unmittelbaren Nachbarn, von Frankreich (2.435,5 Tonnen), Italien (2.451,8 Tonnen), der Schweiz (1.040 Tonnen) und der Niederlande (612,5) sind in den vergangenen drei Jahren weder gewachsen noch geschrumpft. In der Tat ist bei keinen der zehn größten staatlichen oder institutionellen Goldreserven - einschließlich Japan (765,2 Tonnen) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF - 2.814 Tonnen)) - ein ähnlicher, schleichender Schrumpfungsprozess zu beobachten. In China (1.743,3 Tonnen) und Russland (1.392,9 Tonnen) sind die Goldbestände im gleichen Zeitraum sogar teils drastisch gestiegen, wenngleich sie noch immer deutlich hinter denen von Deutschland hinterher hinken. Deutschland steht mit seinen schrumpfenden Goldreserven also allein auf weiter Flur.
Goldreserven werden monetarisiert
Um eine Antwort auf die Frage zu erhalten, warum die Goldreserven von Deutschland routinemäßig schrumpfen, muss man derweil keine neuen Verschwörungstheorien aufstellen. Denn wohl um solchen vorzubeugen hat die Bundesbank - als Verwalter des deutschen Goldschatzes - ihrer neuen Transparenz alle Ehre gemacht und die Erklärung für das jährliche Defizit bereits geliefert. Erst vor wenigen Tagen nämlich sagte Bundesbankchef Carl-Ludwig Thiele beiläufig in einem dpa-Gespräch über die derzeit laufende Verlagerung von Teilen der deutschen Goldreserven aus New York und Paris nach Frankfurt laut der Sächsischen Zeitung vom Freitag (29.01.16):
"Wir geben pro Jahr dem Finanzminister etwa drei Tonnen zum Prägen von Goldmünzen. Um diese drei Tonnen reduziert sich jährlich unser Goldbestand".
Goldmünzen also. Weil das Finanzministerium Goldmünzen prägen will, verabschiedet sich der deutsche Staat jedes Jahr von 3,2 Tonnen seiner Goldreserven. Der reine Materialwert dieser Menge liegt derzeit bei mehr als 100 Millionen Euro. Vor etwas mehr als vier Jahren, als der Goldpreis historische Höchststände erreicht hatte, dürften es fast 200 Millionen gewesen sein. In den vergangenen zehn Jahren dürften somit ein Betrag zwischen ein und zwei Milliarden Euro zusammengekommen sein. Wie gesagt, nur der Materialwert. Doch wer Goldmünzen prägt, der wird sie letztlich auch verkaufen wollen. Faktisch werden also Teile der deutschen Goldreserven routinemäßig und beständig monetarisiert.
Schrumpfung der Goldreserven ist unumkehrbar
Umgerechnet schrumpfen die deutschen Goldreserven demnach um gute 300.000 Euro pro Tag - und das bereits seit Jahren. Dennoch ist die jährliche, in Tonnen angegebene Menge zu gering, um unmittelbar ins Auge zu stechen. Doch der schleichende Schrumpfungsprozess ist gegenwärtig und darüber hinaus unumkehrbar, da das monetarisierte Gold niemals ersetzt werden wird. Laut Bericht sagte Thiele:
"Wir (die Bundesbank) sind kein Goldhändler. Wir bauen keine Bestände an Gold auf."
Außerdem sagte Thiele: "Gold ist für uns ein Teil unserer Reserven. Reserven hält man für die Not vor. Wir sehen zwar momentan keine Notsituation, können die aber auch für die ferne Zukunft in keiner Form ausschließen".
Wie schon gesagt, für Verschwörungstheorien ist hier kein Platz. Doch in Abwesenheit einer Notsituation muss die Frage erlaubt sein: Warum nur werden Teile der deutschen Goldreserven routinemäßig monetarisiert? Macht doch sonst keiner.