EZB mit klaren Statements
Auf der heutigen Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank (EZB) nach ihrer turnusmäßigen Offenmarktausschusssitzung hatte die EZB-Präsidentin Christine Lagerde vier klare Botschaften für den Markt parat:
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Die konjunkturellen Risiken sieht die Notenbank klar auf der Unterseite (negativ)
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Im Dezember werden alle Instrumente gemäß der Wirtschaftslage neu rekalibriert (angepasst)
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Die Zinsen bleiben für lange Zeit auf historischen Rekordtiefstständen
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Die Wertpapierkäufe im Rahmen des PEPP-Programms laufen bis mindestens Ende Juni 2021 weiter und in jedem Falle bis zum Ende der Corona-Pandemie
Aktuell hat das sogenannte Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) ein Volumen von 1,35 Billionen Euro, nach dem es zu Beginn der Pandemie im März dieses Jahres mit 750 Mrd. Euro gestartet und im Juli weiter aufgestockt wurde.
Die Finanzmärkte erwarten nach den heutigen Aussagen der EZB-Präsidentin, dass das PEPP wahrscheinlich noch in diesem Jahr um weitere 500 Mrd. Euro auf dann 1,85 Bio. Euro aufgestockt wird und eventuell sogar nochmals die Zinskonditionen für Banken gelockert oder der Mindestreservesatz nach unten angepasst werden.
EZB geht in die Verlängerung
Aufgrund des aktuellen Pandemie-Geschehens und der Ungewissheit bezüglich der Verfügbarkeit von Impfstoffen und Medikamenten gegen das SARS-CoV-2 Virus wird das zunächst bis Mitte nächsten Jahres zeitlich begrenzte PEPP-Programm sehr wahrscheinlich verlängert. So lange, wie es die Geldpolitiker für notwendig erachten.
Diese Entwicklung war absehbar und geht in Richtung eines zeitlich und volumenmäßig unlimitierten Wertpapierkaufprogramms. So, wie dies bei anderen Notenbanken bereits der Fall ist.
Die Verschuldung in der Eurozone explodiert
Dass die Aufstockung des PEPP-Programms und anderer Wertpapierkaufprogramme notwendig ist, zeigt die explodierende Verschuldung in der Eurozone, die vom privaten Kapitalmarkt allein ohne den großen und mächtigen Marktteilnehmer EZB nicht mehr getragen werden kann.
So erwartet die Europäische Kommission gemäß dem Datenanbieter Statista eine Schuldenquote im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Griechenland bis zum Jahresultimo von knapp 200 Prozent (196,4 Prozent), für Italien ca. 160 Prozent, für Portugal 132 Prozent, für Frankreich 117 Prozent und für die gesamte Eurozone im Schnitt 103 Prozent.
Volkswirtschaftlich gelten Schuldenstände, die den gesamten ökonomischen Output eines Jahres übertreffen (>100 Prozent des BIP) als nicht mehr vollständig tilgbar.
Damit wird die EZB zur Daueralimentierung vieler EU-Staaten über künstlich niedrige Zinsen und künstliche Nachfrage nach Schuldpapieren aller Art gezwungen. Wobei davon auszugehen ist, dass die Schuldenstände im kommenden Jahr weiter steigen werden und der Druck auf die EZB, ihre Geldpolitik noch weiter zu lockern, somit ebenfalls automatisch weiter zunimmt.
Die von den Geldpolitikern seit der Eurokrise regelmäßig angemahnten Strukturreformen wurden von den nationalen Gesetzgebern nur sehr unzureichend umgesetzt, sodass darüber keine Lösung der Schuldenkrise zu erwarten ist.
Fazit und Ausblick
Die unter Mario Draghi, dem Vorgänger von Christine Lagarde als EZB-Präsident gestartete „unkonventionelle“ Geldpolitik mit ihren diversen Tabubrüchen scheint mehr und mehr irreversibel. Die Grenzen zwischen der Geldpolitik und der Fiskalpolitik verschwimmen immer mehr.
Die Notenbank übernahm zudem die Oberaufsicht über das europäische Bankensystem. Damit ballt sich immer mehr demokratisch nicht legitimierte Entscheidungsmacht in den Händen der Zentralbanker mit Sitz in Frankfurt.
Für Anleger, Sparer und Bürger bedeutet dies, dass ihre Belange in Zukunft immer mehr hinter der Stabilisierung des europäischen Finanzsystems und der Schuldentragfähigkeit der Staaten zurückstehen.
Zuletzt hatte die EZB bereits ihr Inflationsziel von zwei Prozent pro Jahr in ein flexibles, sogenanntes symmetrisches Inflationsziel umgewandelt, das auch ein jahrelanges Überschießen der Inflationsrate über zwei Prozent hinaus ermöglicht.
Damit sind in der Kombination mit billionenschweren Geldschöpfungs- und Wertpapierkaufprogrammen und der Vertiefung von negativen Realzinsen dem Anstieg der Vermögenspreisinflation Tür und Tor geöffnet. Die Bürger müssen sich darauf einstellen, dass die Altersvorsorge immer teurer wird, weil die Preise für Vermögenswerte, wie z. B. Aktien, Immobilien und Edelmetalle weiter im Trend steigen.
Für alle, die keine Vermögenssachwerte besitzen und nicht in den Genuss von Wertsteigerungen ihres Vermögens kommen, bleiben im Ergebnis lediglich die gestiegenen Kosten für Mieten, Energie und Lebensmittel.