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Stand: 15.03.2021 von Hannes Zipfel
Just in dem Moment, in dem die deutsche Inflationsrate auf den höchsten Stand seit Beginn der Pandemie hochschnellt, beschließt die Europäische Zentralbank (EZB) die massive Ausweitung ihres Wertpapierkaufprogramms. Die Stabilität des Euro tritt mit dem zusätzlichen digitalen Gelddrucken immer weiter hinter die Rettung überschuldeter Staaten und Volkswirtschaften zurück.
EZB im Endspiel

Stabilität versus Moral

Zum Mandat der Europäischen Zentralbank gehört u. a. die Gewährleistung der Finanzmarktstabilität. Stabilität an sich ist jedoch noch kein Prädikat. Schon gar nicht, wenn es sich um ein interventionistisches und demokratisch nicht legitimierte Machtsystem handelt, dass bis in jeden Winkel wirtschaftlichen Handels eingreift, nur um ein Zombiesystem am Leben zu erhalten.

Aus historischer Sicht gäbe es sicherlich nennenswerte Systeme, deren Stabilität besser früher als später geendet hätte. Unser heutiges Finanzsystem mutiert gerade in Richtung einer für unser aller Gemeinwohl mittelfristig zerstörerische Kraft.

Allein die Tatsache, dass die EZB mit der Umstellung auf ein symmetrisches Inflationsziel die Geldwertstabilität zum Ziel zweiten Grades degradiert hat, sollte aufhorchen lassen.

Im Februar 2020 stieg die Teuerungsrate mit 1,3 Prozent p. a. auf den höchsten Stand seit Beginn der Pandemie. Nahrungsmittelpreise in Deutschland sind mit + 1,4 Prozent p. a. überdurchschnittlich stark angestiegen. Kraft- und Treibstoffpreise erhöhten sich um 2,6 Prozent. Erdgas um 2,1 Prozent. Waren des täglichen Bedarfs wie Süßwaren und Molkereiprodukte verteuerten sich sogar um jeweils 2,7 Prozent. Bei Tabakwaren lag der Preisaufschlag bei 3,9 Prozent.

Die Vermögenspreisblase bei Aktien und Immobilien bläht sich unvermindert weiter auf. Für die Damen und Herren in dem gläsernen Elfenbeinturm am Mainufer ist das eine Petitesse. Für viel um ihre Existenz bangenden Bürgerinnen und Bürger ein schmerzhafter Einschnitt in ihrer Kaufkraft.

Den Experten von Destatis zufolge könnten die Konsumentenpreise im kommenden Sommer sogar die Zwei-Prozent-Marke übersteigen. Grund dafür ist u. a. der Sondereffekt der im Juli 2020 gesenkten Mehrwertsteuer.

Die Zielmarke der EZB liegt in Sachen Inflation bei zwei Prozent. Doch seit der Einführung des flexiblen Inflationsziels (symmetrisch) kann die Teuerung für längere Zeit deutlich überschießen.

Und so beschlossen die europäischen Geldpolitiker inmitten eines sich bereits abzeichnenden Teuerungsschubs zusätzlich Öl ins Feuer zu gießen und das Wertpapierkaufprogramm PEPP (Pandemie-Notfallkaufprogramm) im ersten Quartal 2021 deutlich zu beschleunigen.

Um wie viel das Interventionsvolumen erhöht werden soll, blieb zunächst das Geheimnis der ansonsten nach eigenem Bekunden stets um Transparenz bemühten EZB-Präsidentin Christin Lagarde:

„Wir haben beim PEPP volle Flexibilität, das ist der Eckpfeiler von PEPP.“

Bereits zuvor hatte Lagarde auf die beliebige zeitliche und volumenmäßige Erweiterung des Wertpapierkaufprogramms PEPP hingewiesen.

Das Spiel mit der Inflation gleicht dem Spiel mit dem Feuer, vor allem dann, wenn wegen der Schuldenproblematik das Instrument der Zinsanhebung zum stumpfem Schwert mutiert. Ludwig Erhard äußerte sich folgendermaßen zu der Inflations-Thematik:

„Die Inflation kommt nicht über uns als ein Fluch oder als ein tragisches Geschick; sie wird immer durch eine leichtfertige oder sogar verbrecherische Politik hervorgerufen.“

Minimaler Zinsanstieg versetzt die EZB in Panik

Im unteren Schaubild wird deutlich, wie marginal die Verteuerung der Kreditkosten für Staatsanleihen der europäischen Mitgliedsländer in den letzten zwölf Monaten angestiegen ist.

Vom Tiefpunkt am 9. März 2020 sind die Zinsen für deutsche Staatsanleihen zehnjähriger Laufzeit lediglich von minus -0,9 Prozent auf aktuell -0,3 Prozent p. a. angestiegen. Der Fiskus verdient demnach mit jedem Euro Neuverschuldung nach wie vor Geld.

Staaten wie Griechenland mit einer Staatsverschuldung von 207 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) oder Italien mit knapp 160 Prozent Staatsverschuldung des BIP können sich so günstig verschulden wie nie zuvor.

Renditen für Staatsanleihen in der Eurozone

Dennoch beschlossen die sechs Mitglieder des EZB-Direktoriums sowie die 19 Präsidenten der nationalen Zentralbanken des Euroraums und EZB-Präsidentin Christine Lagarde am vergangenen Donnerstag die Aufstockung der Käufe von Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten, um die ohnehin kaum wahrnehmbaren Zinsen am Kapitalmarkt weiter nach unten zu drücken.

Da die langfristigen Kapitalmarktzinsen als Benchmark für diverse Darlehen und Kredite gelten, reagiert ein in historischem Ausmaß überschuldetes Wirtschaftssystem extrem sensibel auf jeden Basispunkt Zinsanstieg. Die ist wahrscheinlich auch die wahre Befürchtung der „Währungshüter“: ein zu schneller Anstieg der Refinanzierungskosten, der das zarte Pflänzchen Wirtschaftserholung wegen der überbordenden Schulden im Keim erstickt.

Um genau dies zu verhindern, also den nicht mehr verkraftbaren Anstieg der Kreditkosten, existieren bei der EZB mittlerweile fünf Marktinterventionsprogramme, im Rahmen derer in Billionenhöhe staatliche und private Wertpapiere aller Art, unabhängig von deren Qualität mit aus dünner Luft digital erzeugten Euro am Markt erworben werden, um den Zins zu kontrollieren.

Dabei ist laut Volkswirtschaftslehre der Zins der wichtigste Preis in einer Marktwirtschaft.

Zu den aufgekauften Papieren gehören übrigens auch griechische Staatsanleihen, die bislang für die EZB tabu waren, sowie Unternehmensanleihen und Kommunalobligationen unterhalb des Status „Investment Grade“.

Sechs auf einen Streich

  1. Pandemie-Notfallkaufprogramm (PEPP/2020)

  2. Covered Bond Purchase Programme 3 (CBPP3/2014)

  3. Asset-Backed Securities Purchase Programme (ABSPP/2014)

  4. Public Sector Purchase Programme (PSPP/2015)

  5. Corporate Sector Purchase Programme (CSPP/2016)

  6. Wertpapierleihe im APP (Securities Lending/2015)

EZB ist in Sachen Inflation schmerzfrei

Mit ihrer interventionistischen Geldpolitik manövriert sich die EZB immer tiefer in ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Bilanzbewertung und Zinssteuerung. Das bekommt auch die Bundesbank (BuBa) zu spüren.

Erstmals seit 41 Jahren (seit 1979) kann die BuBa keinen Gewinn an das Finanzministerium der Bundesrepublik ausschütten. Der Grund dafür sind Verluste bei den auf der Akivseite der Bundesbank gehaltenen Wertpapieren, die auf Jahresfrist nach Kosten keinen Ertrag abwerfen.

Bilanzgewinne der Deutschen Bundesbank

Noch prekärer wird die Situation, wenn die mit relativ wenig Eigenkapital ausgestattete EZB noch deutlichere Verluste ihrer auf mittlerweile 4,76 Billionen Euro aufgeblähten Bilanzsumme erwirtschaftet. Dann bekommt nicht nur der Fiskus ein Problem, der Eigenekapital in Milliardenhöhe nachschießen muss, sondern auch die Bürger, an die die EZB ihre Euro verteilt.

Die Qualität einer Währung ergibt sich aus der Akzeptanz des gesetzlichen Zahlungsmittels, der Geldmenge, die in Harmonie mit der Wirtschaftsleitung stehen sollte, sowie der Bilanzqualität der geldemittierenden Bank. Alle drei Faktoren erodieren mit zunehmender Geschwindigkeit.

Autor: Hannes Zipfel
Ökonom
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von Aureus | 16.03.2021, 10:55 Uhr Antworten

Desaströs. Das einzige Adjektiv, das mir angesichts dieser EZB Politik einzufallen vermag.

1 Antwort an Aureus anzeigen
von Commander C | 16.03.2021, 14:20 Uhr Antworten

Das ist wie mit Mallorca: Ihr dürft wieder hin, aber wir würden es Euch nicht raten (und wenn während des Aufenthaltes die Regeln geändert werden müsst Ihr doch in Quarantäne).
Hier habt Ihr das Geld, aber es ist nichts wert. Und wenn (falls) Ihr Eure sichere Rente bekommt besteuern wir sie.

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