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Stand: 12.07.2022 von Jörg Bernhard
Eines ist derzeit offensichtlich: Der Dollar ist als „sicherer Hafen“ deutlich gefragter als der altbewährte Krisenschutz Gold. Während der Dollarindex auf dem höchsten Niveau seit über 20 Jahren notiert, fiel der Goldpreis in der vergangenen Woche auf den niedrigsten Stand seit Ende September zurück.
Gold: Institutionelle Investoren verkaufen im großen Stil

Massive Verkäufe im ETF-Sektor und an den Terminmärkten

Die meisten institutionellen Investoren machen aufgrund von Lagerkosten und höheren Geld/Briefspannen meist einen Bogen um Goldbarren und Goldmünzen. Außerdem investieren sie aufgrund der höheren Liquidität überwiegend in Gold-Futures oder -ETFs. Dadurch gehen sie allerdings ein Kontrahentenrisiko ein, schließlich werden an den Terminmärkten Goldmengen gehandelt, die nur zu einem kleinen Teil tatsächlich vorhanden sind.

Und selbst bei mit physisch hinterlegten Gold-ETFs, geht der Käufer grundsätzlich ein Risiko ein und muss darauf vertrauen, dass das gelbe Edelmetall vollumfänglich eingelagert worden ist und ein etwaiger Lieferanspruch auch im Krisenfall tatsächlich erfüllt wird.

Besonders offensichtlich wird das geringe Goldinteresse institutioneller Finanzinvestoren durch die Veröffentlichung des jüngsten Commitments-of-Traders-Report der US-Aufsichtsbehörde CFTC am vergangenen Freitag.

Dieser wies nämlich für Großspekulanten (Non-Commercials) mit 145.700 Futures die niedrigste Netto-Long-Position (per Saldo optimistisch gestimmt) seit über drei Jahren aus.

Zur Erinnerung: Anfang März, also kurz nach der Invasion russischer Truppen in der Ukraine, war mit 274.400 Kontrakte noch der höchste Wert des Jahres gemeldet worden.

Ein massiver Stimmungswechsel war aber auch bei Gold-ETFs auszumachen. Laut Daten des World Gold Council (WGC) haben sich weltweit deren Goldreserven im ersten Quartal um 272,7 Tonnen erhöht, was vor allem auf das starke Kaufinteresse in Europa (plus 114,7 Tonnen) und Nordamerika (plus 170,9 Tonnen) zurückzuführen war (siehe Tabelle).

Ein völlig anderes Bild ergab sich allerdings im zweiten Quartal.

Von April bis Juni reduzierte sich nämlich die global gehaltene Goldmenge um 38,8 Tonnen. Während sich nordamerikanische Investoren von Gold-ETFs im Volumen von 42,3 Tonnen getrennt haben, stockten europäische ETF-Anleger ihre Goldbestände um weitere 4,5 Tonnen auf.

Obwohl die inflationäre Entwicklung für den Kauf von Gold sprechen müsste, hat der rasante Anstieg der US-Leitzinsen die Anziehungskraft von Gold massiv belastet. In diesem Jahr hat die Fed bereits eine Zinserhöhung um 150 Basispunkte durchgeführt und sollte das FedWatch-Tool des Terminbörsenbetreibers CME Group richtig liegen, droht bis zum Ende des Jahres ein weiteres Anheben um mindestens 150 Basispunkte.

Die Wahrscheinlichkeit für Zinsschritte zwischen 175 und 200 Basispunkte bis zum Jahresende liegt aktuell bei fast 90 Prozent. Dabei stellt sich allerdings eine Frage: Wird die Fed ihr Zinserhöhungstempo auch im Fall einer Rezession beibehalten?

Höchstwahrscheinlich nicht – spätestens dann dürften sich auch institutionelle Investoren wieder an die Vorzüge von Gold erinnern.

Goldzuflüsse bzw. -abflüsse im ETF-Markt seit 2020

Region Q1 2020 Q2 2020 Q3 2020 Q4 2020 Q1 2021 Q2 2021 Q3 2021 Q4 2021 Q1 2022 Q2 2022
Nordamerika (Tonnen) 129,3 330,1 191,5 -85,9 -145,8 16,6 -46,2 -24,3 170,9 -42,3
Europa (Tonnen) 155,0 79,9 61,2 -38,5 -41,6 27,2 15,7 0,4 114,7 4,5
Asien (Tonnen) 13,1 9,2 18,5 -4,6 17,9 -1,6 4,3 4,7 -14,8 -1,2
Rest der Welt (Tonnen) 6,4 8,3 5,9 -4,4 1,5 -1,5 0,2 0 1,9 0,2
Insgesamt (Tonnen) 303,8 427,5 277,1 -133,4 -168,0 40,7 -26,0 -19,2 272,7 -38,8
Quelle: World Gold Council; Stand: 30.06.2022

Ausblick für die laufende Woche

In der zweiten Wochenhälfte stehen sowohl in China als auch in den USA außerordentlich wichtige Konjunkturdaten zur Bekanntgabe an. Jenseits des Atlantiks sorgen vor allem aktuelle Inflationsdaten für erhöhte Spannung.

Am Mittwoch erfahren die Marktakteure zum Beispiel, wie sich im Juni die Konsumentenpreise entwickelt haben. Am Donnerstag folgen dann noch die Juni-Produzentenpreise. Laut einer von Trading Economics veröffentlichten Umfrage unter Analysten soll sich die US-Teuerung von 8,6 auf 8,8 Prozent p.a. beschleunigt und damit den höchsten Wert seit über 40 Jahren erreicht haben, während bei den US-Produzentenpreisen ein leichter Rückgang von 10,8 auf 10,7 Prozent p.a. prognostiziert wird.

Eine regelrechte Datenflut zur wirtschaftlichen Entwicklung Chinas steht mit dem BIP-Wachstum (Q2), der Industrieproduktion sowie den Einzelhandelsumsätzen und der Arbeitslosenrate (für Juni) am Freitag auf der Agenda.

Wie lange der Höhenflug des Dollars und die Goldpreisschwäche anhalten werden, lässt sich natürlich nicht seriös vorhersagen, angesichts der explodierenden Schuldenberge und Geldmengen und der sich abzeichnenden Ent-Dollarisierung des globalen Finanzsystems dürften Investoren sich verstärkt nach Alternativen umsehen.

Da man Gold in nahezu jedem Land zu Geld machen kann, dürfte seine Rolle in der Welt auf lange Sicht daher eher zu- als abnehmen.

Autor: Jörg Bernhard
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von Goldfisch | 14.07.2022, 18:58 Uhr Antworten

Ich halte die Interpretation für falsch. Richtig dürfte sein , dass die long/short- Zocker durch die krypto und Börsentalfahrt so sehr in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, dass sie das Beste zum Schluss verkaufen müssen, dad Gold

von Dieter D. | 13.07.2022, 17:02 Uhr Antworten

Eine Deflation steht an. Da wird keiner in Krypto oder "digitale" Rohstoffe investieren. Jeder der Gold halten kann wird es halten. Keiner kann es sich mehr leisten in physisches Gold zu investieren weil auch liquide Mittel zur Seite gelegt werden für das täglich benötigte. Die Wirtschaft wird gegen eine Wand fahren in den nächsten 2-3 Jahren...

von Florian App | 14.07.2022, 08:20 Uhr Antworten

Entdollarisierung? Isolation des Westens? Fiat Währung? Wirtschaftskrise? Börsen- und Immobilienblase? Ganz ehrlich, FED, EZB, Wall Street und all diese Maulhelden hin oder her, wer jetzt in den Dollar flüchtet (oder anderes Papier), der glaubt auch an den Weihnachtsmann. Die Wirtschaftsbonzen sind genau so Propagandaopfer wie der einfache Mann auf der Straße. Dem Westen ist nicht mehr zu helfen...

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