Gold: 2.166,08 € 0,06 %
Silber: 25,42 € 0,12 %
Stand: 15.02.2023 von Hannes Zipfel
Einer der wichtigsten Indikatoren zur Einschätzung der Lage am Goldmarkt in Form der wöchentlichen Positionsdaten an den US-Warenterminbörsen (COT-Reports) ist seit Ende Januar aus „cybertechnischen“ Gründen nicht mehr verfügbar. Was steckt dahinter?
Gold-Terminmarkt: Ernste Cyberattacke oder gewollte Intransparenz?

Worum geht es?

Normalerweise müssen Marktakteure börsentäglich ihre Positionierungen an den Warenterminbörsen in den USA an die Aufsichtsbehörde CFTC (Commodity Futures Trading Commission) mit Sitz in Washington, D.C. melden.

Die CFTC ist eine Unterbehörde der US-Börsenaufsicht SEC (United States Securities and Exchange Commission).

Deren Chef, Gary Gensler, war bis Anfang Januar selbst Chef der CFTC, bevor ihn US-Präsident Joe Biden im Januar 2021 als obersten Börsenaufseher der SEC (U.S. Securities and Exchange Commission) nominierte. Mittlerweile hat er den Posten trotz Kritik aus dem Kongress besetzt.

Pikant: Gensler ist nicht unumstritten, da während seiner Amtszeit als Chef der CFTC massiv von großen Banken die Kurse am Silberterminmarkt manipuliert wurden, was jedoch von seiner Behörde nicht mit der nötigen Sorgfalt untersucht wurde.

Mittlerweile sitzen einige Täter der Preismanipulation hinter Gittern oder wurden zu hohen siebenstelligen Strafzahlungen verurteilt (Gold.de berichtete mehrfach über die Art und Weise dieser Preismanipulationen).

Die Angeklagten waren zum Teil Chefhändler bei namhaften Instituten wie J.P. Morgan Chase oder der Deutschen Bank im Warenterminhandel an der NYMEX bzw. an der COMEX (CME Group).

Doch nun steht Gensler vor einer neuen Herausforderung.

Transparenz ade

Gensler stellt in seinen öffentlichen Ausführungen immer wieder neben den regulatorischen Aufgaben seiner Behörde auch die Sicherstellung der Fairness für alle Marktteilnehmer durch Transparenz und Kontrolle in den Vordergrund.

Aber gerade dies ist seit einiger Zeit nicht mehr möglich.

Sichergestellt wurden diese Ziele bislang durch diverse Meldepflichten über eingegangene Positionen von kleinen und großen Spekulanten, Hedgefonds und Banken an den US-Terminmärkten, die dann wöchentlich und in Bezug auf die Banken zusätzlich monatlich publiziert wurden.

Doch seit dem 24. Januar 2023 werden keinerlei Daten mehr für die COT-Reports für Metalle (Gold, Silber, Platin, Palladium, Aluminium), US-Staatsanleihen, Währungspaare, Energieprodukte, Getreide, andere Nahrungsmittel, Vieh und Aktienindizes zur Verfügung gestellt.

Die Daten, die bislang täglich erhoben und in sogenannten „Disaggregated Futures-Only Commitments of Traders“ bzw. „Disaggregated Futures and Options Commitments of Traders“, kurz „COT-Reports“ wöchentlich und jeweils an bankarbeitstäglichen Freitagen um ca. 21:30 MEZ veröffentlicht wurden, sind seit geraumer Zeit nicht mehr verfügbar.

Disaggregated Futures-Only Commitments of Traders bzw. Disaggregated Futures and Options Commitments of Traders vom 24.Januar 2023

Zusätzlich zu den COT-Reports stellte die CFTC monatlich einen sogenannten „Bank Participation Report“ zur Verfügung, den letzten am 3. Januar 2023. Der Bankreport zeigt die Positionierung der größten Banken in Termin- und Optionskontrakten im vorherigen Berichtsmonat, in diesem Fall also im Dezember 2022.

Nützliches Analyse-Tool

Die COT-Daten gehören zu den am meisten abgerufenen Informationen bei Börsendatenanbietern wie Bloomberg oder Refinitiv im Zusammenhang mit Terminmarktanalysen.

Ganze Verlage, Börsenbriefe und Websites, auch im deutschsprachigen Raum, wie z. B. „insider-week.com“, „wellenreiter.de“ oder Blaschzok Research (Schweiz) greifen die Daten auf und lassen diese zum Teil als wichtige Indikatoren in ihre Marktanalysen mit einfließen.

Beispiel COT-Report von insider-week.com vom 24. Januar 2023 für Gold:

Beispiel COT-Report von insider-week.com vom 24. Januar 2023 für Gold

Dabei ist vor allem das Gesamtengagement (OI = Open Interest, schwarze Linie) ein Gradmesser, wie „heiß“ ein Markt aktuell ist und wie viel Geld in Terminkontrakte floss.

Außerdem zeigen die Daten die Positionierungen der unterschiedlichen Marktteilnehmer, wobei sowohl die kleinen (blaue Linie oben im Chart) als auch die großen Spekulanten (grüne Linie im unteren Chart) als Kontraindikatoren gelten.

Zusammengefasst wird die Aussage des COT-Reports im COT-Index (rote Linie ganz unten), die einen Anhaltspunkt dafür gibt, ob der Markt "überkauft" (werte unter 25) oder "überverkauft" (Werte über 75) ist.

Bei Werten über 75 erhöht sich die Chance, dass die Kurse in Zukunft eher wieder nach oben tendieren, da wenige Wetten auf steigende Kurse durch kleine und große Spekulanten existieren und der Zwang zur Liquidierung von Positionen bei falscher Marktpositionierung in diesen Kreisen gering ist, vor allem dann, wenn wie zuletzt das Open Interest unterdurchschnittlich niedrig ausfällt.

COT-Daten wären gerade jetzt sehr interessant

Zum letzten Stichtag, dem 24. Januar 2023, notierte der Goldpreis bei ca. 1.973 US-Dollar pro Feinunze (31,1 g). Aktuell sind es 1.843 US-Dollar, was einer Preisveränderung von immerhin 5 Prozent entspricht. Beim Silberpreis beträgt das Minus seit dem 24. Januar sogar 2 US-Dollar pro Feinunze bzw. ca. 8,45 Prozent.

Es wäre also interessant zu sehen, wie die Terminmarktpositionierungen der Händler auf diese signifikanten Kursveränderungen bei Gold und Silber reagiert haben.

Leider ist dies mangels Datenverfügbarkeit nicht möglich.

Ohne den COT-Report fehlt den Anlegern ein wichtiger Indikator, wie weit eine Korrektur, wie sie aktuell stattgefunden hat, das Chance-Risiko-Verhältnis am Terminmarkt auf der Ober- oder Unterseite verändert hat (Thema COT-Index).

US-Börsenaufsicht in Erklärungsnot

Die CFTC tut den unterbrochenen Datenfluss als noch nicht bewältigte Cyberattacke ab. Was entweder die Verletzbarkeit der US-Börsensysteme gegen Hackerangriffe zeigt, oder möglicherweise eine willkommene Opportunität offenlegt, wichtige Informationen zur Lageeinschätzung an den US-Terminmärkten der Allgemeinheit vorzuenthalten.

Beides wäre besorgniserregend.

Hier die Pressemitteilung der CFTC im Wortlaut vom 10. Februar (wörtlich übersetzt, Auszüge):

„Obwohl die Auswirkungen des cyberbezogenen Vorfalls bei ION (Drittanbieter im Bereich der Datenverarbeitung für die CFTC, Anm. d. Red.) gemildert wurden, haben Unternehmen, die für die Berichterstattung verantwortlich sind, weiterhin einige Probleme in Bezug auf die Übermittlung zeitnaher und genauer Daten an die CFTC. Infolgedessen wird der wöchentliche Commitment of Traders-Bericht, der von CFTC-Mitarbeitern erstellt wird, weiterhin verzögert, bis alle Trades gemeldet werden können. Nach Erhalt und Validierung der Daten dieser Firmen wird ein Bericht veröffentlicht.“

In einer früheren Pressemitteilung (Quelle: Reuters) hieß es sogar, dass die Veröffentlichung der COT-Reports und des Bank Participation Reports

„bis auf weiteres ausgesetzt werden“.

Gibt es ab diesem Freitag wieder einen COT-Report

Es bleibt zu hoffen, dass die externen Datenanbieter, die der staatlichen Aufsichtsbehörde CFTC zuarbeiten, das Cyber-Problem schnell in den Griff bekommen, denn die Preisgestaltungsmacht der US-Terminbörsen, an denen ein Vielfaches der physischen Umsätze bei den Edelmetallen gehandelt wird, ist nach wie vor einer der wichtigsten Preissetzungsfaktoren und damit von hoher Relevanz für alle, die sich für den Einstieg, die Aufstockung oder die Abstoßung von Edelmetallbeständen interessieren.

Bislang hat sich die CFTC noch nicht über den Fortschritt bezüglich der Wiederaufnahme der Datenveröffentlichung geäußert, so dass die Anleger sich gerade in dieser spannenden Börsenphase bei den Edelmetallen noch in Geduld üben müssen. Am Freitagabend wissen wir mehr.

Autor: Hannes Zipfel
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von FED | 20.02.2023, 10:09 Uhr Antworten

Haben Sie denn jetzt die Daten am Freitag eingestellt?

von Fred | 16.02.2023, 11:39 Uhr Antworten

Guten Morgen. Interessant was alle wissen und keiner dies ändern kann. Die Wallstreet spielt ihr eigenes Spiel und lacht die FED jedentag aufs neue aus! Wir machen was wir wollen und es ist uns egal ob die Inflation hoch ist oder die Zinsen steigen. Silber soll ja 400fach in Papier gezeichnet sein. Durch Besetzung des oben genannten Postens durch Herrn Gensler hat man jetzt den Fuchs in den Hühnerstall gelassen. Silber und Gold in der Hand hat noch nie geschadet. Papier kann morgen wertlos sein. In diesem Sinne wünsche ich einen schönen Tag.

von Leo DIN A4 | 15.02.2023, 22:43 Uhr Antworten

Wenn ein Wal im Osten Gold ausspeiht, und ein anderer Wal im Westen Panzer ausspeiht, dann heißt es für die kleinen Fische abtauchen: Denn unten liegt nun günstig Gold.

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