Banker finden Gefallen am Krisenschutz Gold
Man hat den Eindruck, dass in den entsprechenden Research-Abteilungen das Motto lautet: Wer bietet mehr? In der vergangenen Woche sorgten zum Beispiel die Analysten der Bank of America in diesem Zusammenhang für erhebliches Aufsehen.
Sie revidierten nämlich ihr Kursziel für Gold auf Sicht von 18 Monaten von bislang 2.000 auf nunmehr 3.000 Dollar pro Feinunze. Kurz danach kam von den Experten der Saxo Bank eine noch optimistischere Prognose:
Bei einem Betrachtungszeitraum von mehreren Jahren halten sie sogar einen Goldpreis von 4.000 Dollar für möglich.
Erfahrene Anleger wissen natürlich, dass überschwängliche Kursziele kein Garant für Kursgewinne, sondern eher als Warnzeichen anzusehen sind. Diese Skepsis könnte aber aus folgenden Gründen möglicherweise unangebracht sein.
Erstens: Verglichen mit der Finanzkrise 2008/2009 sind nicht nur die Banken, sondern große Teile der Realwirtschaft vom globalen Lockdown der jeweiligen Volkswirtschaften negativ betroffen. Aktuelle Konjunkturindikatoren zum US-Arbeitsmarkt, diverse Einkaufsmanagerindizes oder auch Geschäftsklima- und Konsumentenstimmungsbarometer belegen das historische Ausmaß des Desasters.
Zweitens: Auch die zahlreichen Rettungspakete wiegen deutlich schwerer als in der Vergangenheit. Und diese sind natürlich allesamt kreditfinanziert, wobei man nicht vergessen sollte, dass ein Großteil der zu emittierenden Staatsanleihen in den Bilanzen der Notenbanken landen werden.
Alte Rezepte für immense Wirtschaftsprobleme
Seit dem Jahreswechsel hat sich zum Beispiel die Bilanzsumme der Europäischen Zentralbank (EZB) von weniger als 4,7 auf fast 5,3 Billionen Euro erhöht (siehe Tabelle).
Jenseits des Atlantiks gab es bei der US-Notenbank Fed im gleichen Zeitraum sogar einen Zuwachs von 4,1 auf rund 6,2 Billionen Dollar zu vermelden. Besonders beängstigend: Die Corona-Krise ist erst wenige Monate alt und ein Ende bis dato nicht absehbar.
Jedem Anleger mit einem Minimum von gesundem Menschenverstand dürfte wohl klar sein, dass sich dieser Schuldenberg bei steigenden Zinsen nicht mehr refinanzieren lässt – von einer ordentlichen Tilgung ganz zu schweigen. In der Finanzwelt scheint die geldpolitische Droge „Liquidität“ erst einmal gewirkt und die Investoren beruhigt zu haben. Ob das altbewährte Rezept auch diesmal funktionieren wird, bleibt abzuwarten.
Verlieren die Anleger das Vertrauen in die Allmacht der Notenbanken, darf man gespannt sein, welche Kursziele von den überlebenden Banken dann genannt werden.
Ausblick für die laufende Woche
Diese Krise ist anders als die vorherigen – nämlich deutlich schlimmer. Warum dem so ist, dürfte jedem klar sein, der die allgemeine Nachrichtenlage verfolgt und die Meldungen von der Konjunkturfront vernimmt.
Kollabierender Ölpreis, noch nie dagewesene Konjunktureinbrüche sowie explodierende Arbeitslosenzahlen sind hierfür der beste Beleg. Da niemand weiß, wie sich die Pandemie in den kommenden Wochen bzw. Monate entwickeln wird, sind sämtliche diesbezüglichen Prognosen mit Vorsicht zu genießen.
Mit Blick auf die Krisenpolitik der Notenbanken sehen wir seit Jahrzehnten ein geldpolitisches Experiment, dessen Ausgang völlig offen ist.
Ein extrem robustes Nervenkostüm brauchen derzeit vor allem Öl-Investoren, nachdem der auslaufende WTI-Future (Mai) in der vergangenen Woche aufgrund mangelnder Lagerkapazitäten zeitweise auf fast minus 40 Dollar abgerutscht war und dadurch den CBOE-Ölvolatilitätsindex auf in der Spitze über 500 Prozent explodieren ließ.
Gemessen daran kann man Gold fast schon als „Langweiler“ bezeichnen, schließlich kletterte dessen Volatilitätsindex auf lediglich 29 Prozent. In den Augen verunsicherter Anleger dürfte gerade dieser Umstand eher für als gegen ein Goldinvestment sprechen.
Wer dieses in erster Linie als Vermögensschutz betrachtet, dürfte an wilden Kursschwankungen eher nicht interessiert sein. Selbst ein breit diversifiziertes Investment in die 500 wichtigsten US-Aktien ist derzeit mit einem höheren Risiko (VIX: 36 Prozent) behaftet als der Kauf von Gold.