Gold: 2.244,87 € 0,00 %
Silber: 26,93 € 0,00 %
Stand: 17.09.2021 von Hannes Zipfel
Inflation, Strafzinsen, Schuldenrekorde: Die Voraussetzungen für steigende Goldpreise sind exzellent - dennoch fällt der Preis. Ein wichtiger Grund dafür ist die Angst der Anleger vor einer Straffung der Geldpolitik. Doch die Geschehnisse weltweit machen ein Umsteuern der Notenbanken unmöglich. Diese Erkenntnis wird sich in den kommenden Wochen rasch verbreiten und den Goldpreis erneut entfesseln.
Goldpreis: Kurzer Rückzug vor der Tsunami-Welle

Drei Bremsklötze für den Goldpreis

Aktuell spricht rein rational vieles für stark steigende Notierungen des Goldes. Allein die Tatsache, dass die realen Zinsen, also inflationsbereinigt, so niedrig sind wie seit den Siebzigerjahren nicht mehr, sollte den Goldpreis beflügeln. So war es zumindest in der Vergangenheit.

Dennoch wird das Edelmetall seit über einem Jahr tendenziell billiger.

Dafür gibt es im Wesentlichen drei Gründe:

  • Erstens erwartet die überwiegende Mehrheit der Marktteilnehmer nach wie vor ein Ende der ultralaxen Geldpolitik. Das würde einhergehen mit einer verringerten Liquiditätszufuhr durch die großen Notenbanken sowie perspektivisch sogar steigenden Zinsen.

    Beides ist einem Goldpreisanstieg abträglich.
  • Zweitens wird der seit Monaten anhaltende Preisanstieg bei Energie, Transport, Nahrungsmitteln, Halbleitern etc. als vorübergehend angesehen. Damit wird die Notwendigkeit, Gold zu kaufen, als nicht allzu dringlich angesehen.

  • Und drittens haben sich die Rekordzuflüsse in Goldfonds (ETFs) im Jahr 2020 in diesem Jahr teilweise wieder umgekehrt. Auch das belastet die Notierungen.

Neue Stimuli statt Liquiditätsentzug

Nun braut sich jedoch eine Mischung aus globaler Wirtschaftsabkühlung, anhaltenden Lieferschwierigkeiten, Margendruck bei den Unternehmen, zunehmenden geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA sowie einer hartnäckiger als gedachten Preisinflation zusammen.

Dazu kommen noch Sonderfaktoren wie die drohende Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung aufgrund politischer Zänkereien im Oktober sowie die Insolvenz des führenden chinesischen Immobilienfinanzierers Evergrande mit 163.000 Mitarbeitern und 300 Mrd. US-Dollar Schulden.

Letzteres wirkt sich schon jetzt belastend auf den chinesischen Immobilienmarkt aus, der für 28 Prozent des Bruttoinlandsproduktes im Reich der Mitte steht.

Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass alle großen Volkswirtschaften in den kommenden Monaten in eine Stagflation geraten, eine Gemengelage aus ökonomischer Stagnation und Inflation.

Zu diesem Ergebnis gelangt aus deutscher Sicht auch die jüngste Konjunkturprognose des Handelsblatt Research Institute (HRI) von Prof. Dr. Bert Rürup (Chefökonom) und Prof. Dr. Bernhard Köster mit dem Titel:

„Der Post-Corona-Boom fällt aus“

Auf genau diesen Boom haben die Finanzmärkte aber bislang gewettet. In den kommenden Wochen wird die Realität einer signifikanten Wachstumsabkühlung auch die Statistiken erreichen und das Bild einer Stagflation mehr und mehr sichtbar werden. Es ist damit zu rechnen, dass diese Realität noch nicht in den Aktienpreisen berücksichtigt ist und es zu heftigen Anpassungen kommen wird.

Für die Stagnation der Wirtschaft ist vor allem das Auslaufen gigantischer fiskalischer Stimuli und Hilfsprogramme verantwortlich, die noch bis in das zweite Quartal 2021 hinein ein Konjunkturstrohfeuer trotz Pandemie ermöglichten.

Fiskalstimuli in Prozent des jeweiligen BIP

Der enorme Schuldenanstieg auf Ebene der Staaten sowie die Angst vor einer Befeuerung der Inflation verhindern aktuell die Neuauflage gigantischer Stimuli. In den USA werden neue Konjunkturprogramme, z. B. für Infrastruktur, durch politische Rivalitäten stark verzögert.

Der Wegfall der Konjunkturhilfen kann durch das Abflauen der Pandemie wirtschaftlich nicht kompensiert werden, da die globalen Lieferketten massiv gestört sind. Das Wachstumspotenzial kann nicht ausgeschöpft werden.

Stattdessen steigen die Preise bei Vorleistungsgütern und im Großhandel massiv an.

Da die Wachstumslokomotive der Welt, China, nun selbst zum Bremsklotz zu werden droht, wie jüngste Daten vom Immobilienmarkt, den Investitionen, der Industrieproduktion und dem Einzelhandel zeigen, bleiben nur die großen Zentralbanken als Retter in der Not.

Daher wird es auch in Sachen Geldpolitik in den kommenden Wochen zu einer völlig anderen Sichtweise kommen: Anstatt einer geldpolitischen Trendwende wird der Ruf nach erneuter Rettung der Konjunktur und der Aktienmärkte durch die Notenbanken laut. Natürlich werden die Geldpolitiker im Sinne der Finanzmarktstabilität und zur Vermeidung des Platzens der Vermögenspreisblasen diesem Ruf folgen.

Da die Inflation, getrieben von Energie-, Nahrungsmittel- und Wohnkosten, weiter hoch bleibt, werden die Notenbanken dann für alle sichtbar eine ganz klare Entscheidung gegen die Geldwertstabilität treffen.

Damit wird der Vertrauensverlust in Sachen Geldwertstabilität eine neue Dimension erreichen.

Erst runter, dann zügig hoch

Das zeitliche Aufeinandertreffen vieler ungünstiger Faktoren wird die Risikowahrnehmung der Märkte in diesem Herbst stark erhöhen. Genau das war auch bei den letzten dynamischen Goldpreisanstiegen der entscheidende Auslöser: Ein Hauch von Systemkrise wehte über die Finanzmärkte, als der Goldpreis im August letzten Jahres neue Rekordstände erreichte – genauso wie während der Weltfinanzkrise.

Da die Krise einen Dauerzustand darstellt und lediglich durch Helikoptergeld kaschiert wurde, ist die nächste Krise immer nur so weit entfernt, wie das Helikoptergeld die Märkte trägt. Ein Großteil des Stimulus-Geldes, das auch an die Aktienmärkte floss, wurde bereits investiert.

Neues Helikoptergeld muss her, andernfalls fehlen die Anschlusskäufer und der Aktienmarkt droht unter der rekordhohen Bewertung zusammenzubrechen.

Für den Goldpreis bedeutet dies die realistische Chance eines erneuten starken Anstiegs der Investorennachfrage. Zum einen wegen der neuen Sicht auf die geldpolitische Perspektive und zum anderen zum Schutz gegen die diversen sich aktuell aufbauenden Risiken.

An die jetzige Abwärtsbewegung des Goldes, die sich noch etwas fortsetzen und im Zuge einer temporären Liquiditätskrise an den Finanzmärkten sogar noch verschärfen kann, werden sich neue Preisrekorde anschließen.

Goldpreis Chart in US-Dollar pro Unze

Dass der Goldpreis zu dieser Dynamik fähig ist, hat er oft genug in Phasen erhöhter systemischer Risiken bewiesen.

Autor: Hannes Zipfel
Ökonom
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von Alfred | 22.09.2021, 11:04 Uhr Antworten

"An die jetzige Abwärtsbewegung des Goldes, die sich ........ kann, werden sich neue Preisrekorde anschließen." Als jemand der vor über 15 Jahren mit dem Einstieg bei Aurum begonnen hat, kann ich über solche Wahrsagungen nur schmunzeln. Einfach mal anders rum. Steigende Geldmenge = steigende Preise und Glück wenn man dabei den Kaufkraftverluste ausgleichen kann. Bisher hat es sogar gegenüber Betongold geklappt!

von Maik Roenneburg | 20.09.2021, 20:06 Uhr Antworten

bravo Herr Zipfel!

von Werner | 20.09.2021, 11:32 Uhr Antworten

Pfeifen im Walde oder Realismus?

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