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Stand: 08.10.2021 von Hannes Zipfel
In den letzten Monaten enttäuschte Gold als Schutz vor steigender Preisinflation. Doch nun bahnt sich ein neues Szenario an: die Stagflation. Bereits in den 1970ger- und Anfang der 1980er-Jahre war dieses Szenario zu beobachten. Wird der Goldpreis wie damals erneut stark steigen?
Goldpreis & Stagflation

Erst Inflation, dann Stagflation

Obwohl die Preise für Rohstoffe, Waren und Dienstleistungen seit Beginn dieses Jahres dynamisch anschwellen und in Deutschland Inflationsraten jenseits der 4 Prozent Marke wie zuletzt vor 30 Jahren gemessen werden, steigt der Goldpreis nicht.

Im Gegenteil: Seit dem Erreichen der Höchststände im August letzten Jahres zeichnet der Goldchart eine abwärts gerichtete Konsolidierungsformation.

Goldpreis vs Konsumentenpreise Deutschland

Die Gründe dafür sind nicht eindeutig auszumachen. Wahrscheinlich ist eine Mischung aus folgenden fünf Faktoren für die ungewöhnlich negative Korrelation zwischen Inflation und Goldpreis verantwortlich:

  1. Konsolidierung des starken Anstiegs der Kurse zwischen August 2018 und August 2020

  2. Umkehrung der enormen Mittelzuflüsse in Gold-ETFs in Folge von Gewinnmitnahmen

  3. Androhung strafferer Geldpolitik mit steigenden Zinsen und sinkender Liquidität

  4. Konkurrenz durch „digitales Gold“ wie Bitcoin und Co.

  5. Inflation wird noch als temporäres Phänomen angesehen

Während der Hochphase der Pandemie waren es vor allem die radikalen Maßnahmen der Notenbanken sowie die von vielen Staaten verteilten enormen Hilfsgelder, die den Goldpreis beflügelten.

Zwar stehen die Notenbanken geldpolitik immer noch voll auf dem Gaspedal, aber die Rhetorik der Währungshüter signalisiert ein Ende der Gelddruckorgie und eventuell sogar wieder steigende Zinsen.

Gold, das keine Zinsen abwirft, dafür aber knapp ist und seinen Wert über viele Jahrtausende erhalten hat, reagiert sehr sensibel auf die Erwartung einer strafferen Geldpolitik.

Ob diese in Anbetracht sich abschwächender Wirtschaftsdaten und globaler Rekordverschuldung realistisch ist, wird aktuell kaum hinterfragt.

Hier steht der Lackmustest für die Notenbanken noch bevor, wenn im Herbst und Winter die Preise wegen der Energiekrise und gestörter Lieferketten weiter steigen und sich gleichzeitig die Wirtschaftsdynamik deutlich abkühlt. In der Kombination ergibt die konjunkturelle Stagnation und die nach wie vor steigende Inflation das ökonomisch sehr seltene Phänomen der Stagflation.

Stagflation

Die Stagflation bedeutet für Notenbanker ein geldpolitisches Dilemma: Sollen sie die Inflation durch eine weniger laxe Geldpolitik bekämpfen?

Damit erreicht sie lediglich zusätzliche Belastungen für die z. T. hoch verschuldeten Verbraucher, Staaten und Unternehmen.

Gestörte Lieferketten und die Energiekrise kann man so aber nicht beseitigen.

Andererseits würden Bemühungen, die stagnierende Wirtschaft durch eine Beibehaltung der expansiven Geldpolitik weiter zu stützen, die Preise noch schneller nach oben treiben.

Dass die Stagflation zur Realität wird, ist anhand rückläufiger Unternehmensgewinnschätzungen für das abgelaufenen Quartal bei der Mehrheit der Aktiengesellschaften im S&P 500 Index bereits absehbar. Generell haben die Wirtschaftsdaten zuletzt enttäuscht, während gleichzeitig die ohnehin hohen Inflationserwartungen noch getoppt wurden.

Economic Surprise Index vs. Inflation Surprise Index

Goldpreisentwicklung während der letzten Stagflation

Die letzte Phase hoher Inflation in Verbindung mit wirtschaftlicher Stagnation trat im Zuge des Ölpreisschocks in den 1970er-Jahren auf. Damals wurde die Ölmenge aufgrund von politischen Spannungen im Nahen Osten künstlich verknappt und es kam zu einem Angebotsengpass. Daraufhin verdoppelte sich der Ölpreis innerhalb von nur zwei Jahren. In der Folge schoss die Inflationsrate in Deutschland bis auf 13 Prozent nach oben und das Wirtschaftswachstum kam zum Erliegen.

Der Goldpreis entwickelte sich in dieser Phase ebenfalls sehr dynamisch nach oben: Im Jahr 1970 lag der Preis pro Feinunze bei 37,60 US-Dollar, im Jahr 1972 bei 50,20 US-Dollar und 1973 bereits bei 102,25 US-Dollar. Dieser Trend setzte sich in den folgenden Jahren fort und mündete bis 1980 in einer Goldpreisexplosion. 1979 überschritt der Goldpreis die Marke von 500 US-Dollar, am 21. Januar 1980 erreichte er 850 US-Dollar.

Goldpreis und Stagflation

Ob es nun wieder zu einer ausgeprägten Stagflation und einem Hochschießen des Goldpreises kommt, hängt auch davon ab, wie nachhaltig die Lieferengpässe und die Energiekrise sind.

Wann schwindet das Vertrauen in die Notenbanken?

Das Problematische an einer Stagflation ist, dass sie sich grundsätzlich nicht mit Maßnahmen der Nachfragesteuerung beheben lässt. Steuererhöhungen, Liquiditätsverknappung oder die Verteuerung von Krediten durch Zinsanhebungen beseitigen die Ursache des Preisschocks nicht.

Es ist zwar davon auszugehen, dass sich die Störungen der globalen Lieferketten sukzessive zurückbilden, aber die Energiekrise ist Folge der globalen CO2-Strategie. Der Übergangsprozess von fossiler zu regenerativer und CO2 neutraler Energiegewinnung dauert mindestens noch ein Jahrzehnt.

Da Energie aber eine Kernkomponente in nahezu allen Preisen darstellt, bleibt der Aufwärtsdruck hier erhalten.

Eine Börsenweisheit besagt,

dass die Energiepreise Inflation erzeugen und der Goldpreis die Inflation anzeigt.

Letzteres hat bisher nicht so gut funktioniert. Aber das kann sich sehr schnell ändern. Vor allem dann, wenn das Dilemma der Zentralbanken offensichtlich wird. Bereits jetzt nimmt das Misstrauen gegenüber den Währungshütern zu.

In den USA geriet der Präsident der US-Notenbank (Fed), Jerome Powell, bei seinem jüngsten Rechenschaftsbericht vor dem US-Kongress massiv in die Defensive. Senatoren und Abgeordnete beider Kammern machen Powell und seine Kollegen mitverantwortlich für die ausufernde Inflation. Jenseits des Atlantiks liegen die jährlichen Preissteigerungsraten für Konsumenten bereits bei über 5 Prozent p. a. Die Leitzinsen hingegen bei effektiv 0,08 Prozent p.a.

Vertrauen ist aber entscheidend für ein Währungssystem, in dem die Stabilität des Geldes in den Händen von Geldpolitikern liegt. Eine offen sichtbare Handlungsunfähigkeit der Währungshüter würde dieses Vertrauen erschüttern. Genau diese Handlungsunfähigkeit droht nun wegen des Stagflations-Dilemmas.

Immer dann, wenn es in der Vergangenheit zu Vertrauensverlust und starker Verunsicherung kam, stieg der Goldpreis deutlich an.

So zum Beispiel:

  • in den 1970ger-Jahren während der beiden Ölkrisen,

  • nach dem Platzen der New-Economy-Blase zu Beginn des Millenniums,

  • nach dem Anschlag auf das World-Trade-Center in New York,

  • während der Weltfinanzkrise,

  • während der Eurokrise,

  • zu Beginn der Corona-Pandemie

Die Notenbanken können heute anders als während der letzten Teuerungsschübe die Zinsen nicht mehr stark anheben. Während Deutschland 1993 das letzte Mal mit Inflationsraten über vier Prozent konfrontiert war, lag der Leitzins der Deutschen Bundesbank (BuBa) noch bei 5 ¾ Prozent p. a. (Diskontsatz).

Würde die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen von derzeit 0,0 Prozent p. a. auf die Höhe der Inflationsrate anheben und zudem die Anleihekäufe reduzieren, dann würden etliche Staaten der Eurozone in Zahlungsschwierigkeiten geraten und die Immobilienblase in Deutschland drohte zu platzen. Das gilt in ähnlicher Weise auch für die beiden größten Volkswirtschaften der Welt: China und die USA.

Am 3. November wird die US-Notenbank ihren Fahrplan für den Ausstieg aus der ultralaxen Geldpolitik bekanntgeben (Tapering).

Möglicherweise sieht sie sich aber auch gezwungen, diese Pläne wegen der Stagnation der US-Wirtschaft auf Eis zu legen.

Letzteres wäre der Offenbarungseid für die Zentralsteuerung von Geldmenge und Zinsen durch die Notenbanken und wohl das Ende der Karriere von Jerome Powell.

Sollte die Fed sich gegen eine Straffung der Geldpolitik entscheiden und an dem Mantra des vorübergehenden Charakters der Inflation festhalten, dann stünden die Chancen für eine Wiederholung der Goldpreisrallye analog der 1970ger-Jahre sehr gut.

Entscheiden sich die Notenbanken hingegen dafür, dem Druck der Öffentlichkeit nachzugeben und die Geldpolitik zu straffen, dann dürfte die nächste systemerschütternde Finanzkrise nur eine Frage von wenigen Quartalen sein.

Die globale Rekordverschuldung sowie die zins- und liquiditätssensitiven Blasen an den Finanz- und Immobilienmärkten reagieren äußerst negativ auf eine restriktive Geldpolitik. Spätestens dann müssten die Zentralbaken erneut stützend, also mittels expansiver Geldpolitik eingreifen – unabhängig von der Inflation. Auch für dieses Szenario ist man mit Gold gut gerüstet.

Autor: Hannes Zipfel
Ökonom
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von Ursula könich | 09.10.2021, 08:50 Uhr Antworten

Es kommt alles viel schlimmer

von Aureus | 09.10.2021, 03:57 Uhr Antworten

Besonders übel fand und finde ich, dass einige Notenbänker in den USA ihre Insider-Kenntnisse in krimineller Weise genutzt haben, um privat an den Kapitalmärkten ordentlich abzukassieren.
Solchen Leuten kann und darf man nicht trauen. Daher muss jeder einzelne zusehen, dass er effektive Vorsichtsmassnahmen ergreift. Goldbesitz ist eine solche!!!

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