Gold: 2.169,62 € 0,23 %
Silber: 25,46 € 0,28 %
Stand: 12.11.2021 von Hannes Zipfel
In den USA schießt die Inflationsrate auf den höchsten Stand seit 31 Jahren. Sowohl die Breite als auch die Beschleunigung der Preisanstiege von Monat zu Monat sind besorgniserregend. Die als Schutz gegen Inflation geltenden Edelmetalle erlebten nach der Datenveröffentlichung einen enormen Nachfrageschub, einhergehend mit deutlich steigenden Kursen.
Inflationsschock und ein seltenes Phänomen bei Gold und Silber

Durch die jüngsten Preisentwicklungen zeigt sich bei Gold und Silber ein seltenes Phänomen.

Inflation auf breiter Front mit zunehmender Dynamik

Am Mittwoch wurden in den USA für Verbraucher, Unternehmen und Politiker wichtige Daten zur Konsumentenpreisinflation veröffentlicht (VPI). Die Schätzung von 5,8 Prozent für Oktober gegenüber dem Vorjahresmonat erschienen einem befreundeten Kollegen aus der Schweiz so unrealistisch hoch, dass er mich fragte, ob diese Zahl meine persönliche Annahme sei. Es handelte sich aber tatsächlich um den offiziellen Analystenkonsens, ermittelt durch die Wirtschaftsnachrichtenagentur Thomson Reuters.

Als dann am Mittwoch um 14:30 Uhr MEZ die offizielle Inflationsrate jenseits der 6 Prozentmarke für die USA auf den Bildschirmen erschien, gab es für die Preise von Gold und Silber kein Halten mehr. Um knapp 50 US-Dollar legte der Preis für eine Unze Gold innerhalb weniger Minuten in der Spitze zu. Silber verteuerte sich innerhalb von 30 Minuten um 1,19 US$ pro Unze bzw. 5 Prozent.

Doppelte SKS-Bottom-Formation bei Gold und Silber

Dabei wurde im Zuge der Preisrallye bei Gold die Nackenlinie der inversen Schulter-Kopf-Schulter-Formation bei ca. 1.830 US$/Unze nach oben durchbrochen. Diese sog. SKS-Bottom-Formation gilt als sehr zuverlässiger Hinweis auf das Ende einer Abwärtsbewegung.

Silberpreis in US-DDollar pro Unze 11/2021

Daraus ergibt sich nun ein Preispotenzial bis knapp an die Marke von 2.000 US$/Unze heran. Aktuell liegt der Kurs des gelben Edelmetalls bei 1.863 US$/Unze.

Aus der Schulter-Kopf-Schulter (SKS) Formation lässt sich das Kursziel einfach berechnen: Dazu wird zunächst die Differenz zwischen dem tiefsten Punkt der Formation (Kopf=“K“) und der Nackenlinie (schwarze Linie) ermittelt. In unserem Fall durch einen rot gestrichelten Pfeil dargestellt. Diese Kursdifferenz wird dann am Ausbruchspunkt über der Nackenlinie (grüner Kreis an der Nackenlinie) nach oben abgetragen.

Das Besondere an der aktuellen Situation ist, dass sich parallel zum Goldpreischart die gleiche SKS-Konstellation nach dem gestrigen Kursanstieg auch bei Silber ergeben hat.

Allerdings muss das weiße Edelmetall noch die wichtige gleitende 200-Tage-Durchschnittslinie bei ca. 25,40 US$/Unze überwinden, was Gold in US-Dollar bereits gelungen ist. Momentan kostet eine Unze Silber (Spot-Preis) 25,04 pro Unze. Über der 200-Tage-Linie warten zwei weitere horizontale Widerstände, und zwar bei 25,92 US$ und 36,74 US$ pro Unze.

Das Potenzial, resultierend aus der inversen SKS-Formation beim Silberpreis liegt bei 28,70 US$/Unze. Wobei ein Rückprall auf die schwarze Nackenlinie in den nächsten Tagen völlig normal wäre. Das gilt im Übrigen auch für den Goldpreis.

Silberpreis in US-DDollar pro Unze 11/2021

Inflationsdynamik eröffnet weiteres Potenzial für Gold und Silber

Trotz der bereits hohen Konsens-Schätzung von 5,8 Prozent stiegen die US-Verbraucherpreise sogar um 6,22 Prozent gegenüber dem Oktober 2020 an. Erstaunlich ist dabei die Breite der Preissteigerungen bei diversen Gütern und Dienstleistungen im statistischen Warenkorb (siehe gelber Infokasten in der unteren Grafik).

Die Kernrate ohne die volatilen Nahrungsmittel- und Energiepreise stieg ebenfalls stärker als erwartet um 4,56 Prozent zum Vorjahresmonat an. Zuletzt wurden im September 1991 solch hohe Werte gemessen. Allerdings lag damals der effektive Leitzins der US-Notenbank bei 5,45 Prozent p. a. und nicht wie heute bei mikroskopisch kleinen 0,08 Prozent p. a. nahe der Nulllinie.

Verbraucherpreisinflation USA

Viele Indikatoren aus den Bereichen Versorgung, Vorprodukte, Zwischenhandel, Lieferzeiten, Einkaufsmanagerindizes, Logistik, Personalmangel, Endfertigung, Lagerhaltung und Großhandel signalisieren einen anhaltenden Kostendruck für die kommenden Monate.

Die Tatsache, dass die Preise auf breiter Front auch gegenüber dem Vormonat September 2021 um 0,9 Prozent angestiegen sind, zeigt, dass es sich nicht nur um einen Basiseffekt aus dem Vorjahr handelt, sondern um eine Inflationsspirale, die sich aus ganz aktuellen Preisimpulsen heraus speist. Annualisiert bedeutet eine Monatsteuerung von 0,9 Prozent eine Jahresteuerung von 10,8 Prozent.

Verbraucherpreistreiber in den USA sind vor allem:

  • Mietpreise,

  • Energiekosten,

  • Transportkosten,

  • Nahrungsmittelpreise,

  • Lohnkosten,

  • Materialkosten,

  • Administrative Kosten (Steuern und Abgaben)

Die aktuell steigenden Steuereinnahmen in den USA aber auch bei uns sind kein Zufall, erhöht sich doch automatisch die Umsatzsteuer, wenn der Preis einer Ware oder Dienstleistung sich verteuert (Basiseffekt).

Der Fiskus ist also zunächst ein Inflationsgewinner und treibt die Inflationsspirale ungewollt an.

Vor allem ausgehend von den Mieten wird sich die Inflation in den kommenden Monaten und Quartalen weiter beschleunigen. Im angelsächsischen Raum, aber zunehmend auch bei uns, dominieren Mietverträge mit einer Koppelung der Kaltmiete an die Inflationsrate (Indexmiete). Daraus ergeben sich automatisch weitere Mietsteigerungen auf Basis der jetzt stark erhöhten Inflation ab dem kommenden Jahr.

Die deutlich gestiegenen Kosten für Baumaterial und Energie werden sich zusätzlich auf die allgemeinen Wohnkosten auswirken. Mieten und Wohnkosten fließen zu knapp einem Drittel in die Berechnung der Verbraucherpreisinflation in den USA mit ein (Quelle: U.S. BUREAU OF LABOR STATISTICS | alle Details zu den jüngsten US-Konsumentenpreisen).

Es ist absehbar, dass die hartnäckige Inflationsdynamik aufgrund der Vielzahl steigender Einzelpreise erhalten bleibt und für weiteres Interesse an Gold und Silber sorgt.

Die große Angst vor dem „Policy Error“

Weil die Notenbanken wegen der globalen Rekordverschuldung (Quelle: Reuters) und der diversen Vermögenspreisblasen, die ebenfalls in Rekordhöhe auf Pump finanziert sind, die Kreditkosten nicht mehr durch Zinsanhebungen spürbar verteuern können, sind ihnen in Sachen Inflationsbekämpfung nahezu die Hände gebunden.

USA Inflationsrate vs. Leitzins

Im Ergebnis bleiben die Zentralbanken passiv und halten trotz anderslautender Daten an ihrer Behauptung fest, die Inflation würde sich im kommenden Jahr unter die Zielmarke von 2 Prozent zurückbilden. Die Frühindikatoren zeigen jedoch das genaue Gegenteil, weshalb die Glaubwürdigkeit der Geldpolitiker erodiert.

Die Realitätsverweigerung der Notenbanker als Ausdruck ihrer Handlungsunfähigkeit verunsichert Anleger immer stärker, auch wenn Privatinvestoren und Profis noch nicht in Panik verfallen sind. Aber die Angst vor einem sogenannten „Policy Error“ durch die Geldpolitik nimmt zu. Selbst ehemalige US-Notenbanker werden unruhig:

„Die Fed reagiere viel zu langsam auf die anhaltend hohe Inflationsdynamik“.

Das sagte z. B. der nach wie vor sehr einflussreiche ehemalige Notenbankpräsident der Fed of New York, William Dudley gegenüber Bloomberg.

Sollte der Druck aus der Gesellschaft und speziell von der Fiskalpolitik durch weiter steigende oder hoch bleibende Inflationsraten zunehmen, könnten sich die Geldpolitiker zu Aktionismus genötigt fühlen.

Doch weder hektische Zinsanhebungen noch das abrupte Abdrehen der nach wie vor sprudelnden Liquiditätsquellen würden Stabilität in die Finanzmärkte bringen. Es bestünde im Gegenteil die Gefahr von Kurszusammenbrüchen an den stark fremdkapitalgehebelten Immobilien-, Anleihe- und Aktienmärkten.

„Policy Error“ ist ein angelsächsischer Fachbegriff für geldpolitische Aktionen, die ungewollte Signale an die Märkte senden, zu spät erfolgen, wirkungslos bleiben, über das Ziel hinausschießen oder von vornherein ohne jede Aussicht auf Erfolg sind. Die Finanzmärkte reagieren sehr volatil auf Fehler der obersten Geld-Autoritäten. Die Stabilität der diversen "brogdingnagischen" Finanzmarktblasen fußt auf das nach wie vor nahezu grenzenlose, wenn auch stark bröckelnde Vertrauen in die „Damen und Herren des Geldes“ in den Notenbanken.

„Policy Errors“ sind daher sehr gefährlich und können schnell zu Panik an den Märkten führen.

In der Türkei ist dieses Phänomen anhand der dortigen Geldpolitik gerade in besonders stark ausgeprägterer Form zu beobachten. Die Türkische Lira kollabiert nahezu täglich auf neue Allzeittiefststände gegenüber dem US-Dollar und gegenüber Gold.

Auch deshalb, weil die Türkische Zentralbank (TCMB) einer Inflationsrate von knapp 20 Prozent p. a. durch massive Zinssenkungen begegnet, ohne anderweitige vertrauensbildende Maßnahmen zu unternehmen, die den Lira-Kurs zu stützen vermögen.

Ein klassischer „Policy Error“ mit dramatischen Folgen für die Lira.

Fazit und Ausblick

Die Inflationszahlen für Dezember aus der größten Volkswirtschaft der Welt werden am 10.12.2021 um 14:30 MEZ wohl noch höher vermeldet und wahrscheinlich sogar die Marke von 7 Prozent übertreffen.

Schon jetzt ist das Thema Nummer 1 auf der politischen Agenda in Washington. Es geht um den Job von Notenbankchef Jerome Powell, die Midterm Elections im kommenden Jahr und um die unterirdischen Zustimmungswerte für Präsident Biden.

Doch das Inflationsthema ist kein Gewinnerthema – hier kann man wegen der Zins- und Liquiditätsfalle nur „Policy Errors“ begehen.

Es steht daher vermutlich ein sehr turbulenter Winter vor den Anlegern. Edelmetalle und Minenaktien können helfen, die Schwankungen im Vermögensmix zu stabilisieren. Viel mehr Hinweise auf die Notwendigkeit, über Gold und Silber nachzudenken, kann man in Anbetracht der aktuellen Gemengelage kaum noch liefern.

Autor: Hannes Zipfel
Ökonom
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von Karl Beck | 15.11.2021, 03:37 Uhr Antworten

Papier ergibt Wärme und Asche für kurze Zeit, Edelmetall behält seinen
Glanz auch nach einigen hundert Grad!

von Jan S. | 13.11.2021, 11:54 Uhr Antworten

Es kommt wie es kommen mußte, wenn einer dauerhaften Ausweitung der Geldmenge bei verschlechterten, weigentlich nur dem Namen nach bestehenden Sicherheiten keine Produktivitätssteigerungen gegenüberstehen.

von Aureus | 13.11.2021, 00:49 Uhr Antworten

Ich rate jedem dringend seine Goldbestände weiter zu halten und sie trotz der jüngsten Anstiege nicht in irgendwelche Papierwährungen von minderer Qualität zu konvertieren. Für einen Tausch von Gold in Papier sind die Bilanzen der Notenbanken einfach viel zu stark von unseren "Experten" aufgebläht worden...

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