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Stand: 14.09.2022 von Hannes Zipfel
Nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine spaltet sich die Welt politisch und ökonomisch zunehmend auf. Russland sucht dabei den Schulterschluss mit dem Reich der Mitte. Die Ambitionen sind groß. Was bedeutet das für den globalen Goldmarkt?
Russland: Neue Goldbörse und neues Zahlungssystem

Sanktionen forcieren neue Allianzen

Nur äußerst selten reist ein chinesischer Staatspräsident vor dem Parteitag der Kommunistischen Partei (am 20. Oktober) ins Ausland. Dies ist besonders bedeutsam, weil sich Xi Jinping zum 20. Jubiläum dieser Veranstaltung als erster chinesischer Präsident zum dritten Mal in Folge zum Parteichef und Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission ernennen lassen will.

Dennoch nimmt er sich die Zeit, um auf dem in dieser Woche stattfindenden Treffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit den Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin zu treffen. Dies ist Xis erste Auslandsreise seit Anfang 2020.

Bislang hatte sich Xi bezüglich einer militärischen Unterstützung Russlands im Krieg gegen die Ukraine auffällig zurückgehalten. Doch vorab veröffentlichte Redemanuskripte zeigen einen Gezeitenwechsel:

Sowohl Xi als auch Putin wollen demonstrativ den Schulterschluss gegen die „Anti-Amerikanische-Front“ vollziehen.

Am Rande des Treffens ist ein separates Gipfeltreffen zwischen Putin und Xi geplant, bei dem es auch um die Lieferung von Hochtechnologie und Waffen geht.

Damit scheint die geopolitische und geoökonomische Fragmentierung unserer Welt an Dynamik zu gewinnen. Offensichtlich sind Xi und Putin fest entschlossen, eine „Anti-Amerikanischen-Koalition“ zu bilden und suchen dazu Koalitionspartner wie Indien, Pakistan, Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), was auch die mächtige Organisation der erdölexportierenden Länder OPEC+ (inkl. Russland) beinhaltet.

Das russische Finanzsystem ist bereits auf das chinesische System umgestellt

Jenseits der geopolitischen Neuausrichtung Chinas kooperieren Russland und das Reich der Mitte bereits auf der Ebene des Zahlungsverkehrs eng zusammen, nachdem Russland im März dieses Jahres im Zuge der ersten Sanktionen als Reaktion auf den Angriffskrieg auf die Ukraine sukzessive vom weltweiten SWIFT-Bankenzahlungssystem abgeschnitten wurde (SWIFT=Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication).

Der Ausschluss russischer Banken vom Zahlungsinformationssystem SWIFT zwang die Finanzinstitute, sich nach einer Alternative umzusehen, die sie im chinesischen „CIPS“ fanden (CHIPS= Chinas Cross-Border Interbank Payment System). Das System wurde entwickelt und wird betrieben von den chinesischen Technologie- und Softwareunternehmen Beijing Infosec Technologies, Brilliance Technology und Shenzhen Forms Syntron Information.

China hatte 2012 damit begonnen, das Clearing- und Abwicklungssystem als Alternative zu dem von den USA dominierten SWIFT-System zu etablieren.

Auch mit CIPS sind grenzüberschreitende Transaktionen mit der Landeswährung Yuan und zukünftig auch Rubel und anderen Währungen, v. a. im Rohstoffhandel via Direktabwicklung möglich.

Aktuell sind bereits 75 Staaten an CIPS angebunden, darunter auch die Deutsche Bank (via Tochtergesellschaft) sowie russische Tochtergesellschaften chinesischer Institute.

Die Zusammenarbeit und Anbindung weiterer Banken soll nun zügig erfolgen.

Nach Angaben der Zeitung „Jiefang Daily“ und des Handelsblatts verarbeitete CIPS im vergangenen Jahr 2021 bereits ein Transaktionsvolumen von rund 80 Billionen Yuan (11,5 Billionen Euro). Das Volumen soll auch sanktionsbedingt in den kommenden Jahren auf 80 Billionen Euro ansteigen.

Neue Goldbörse in Moskau

Bereits jetzt arbeiten China und Russland wirtschaftlich und militärisch eng zusammen. China ist der größte Handelspartner Russlands und exportiert hauptsächlich Rohstoffe (v. a. Energieträger), Nahrungsmittel, Dünger, Edelmetalle (Palladium, Platin, Zink und Gold) sowie Rüstungsgüter nach China.

Im Gegenzug liefert China High-Tech-Komponenten, Konsumgüter, industrielle und pharmazeutische Vorprodukte sowie nachgebaute Ersatzteile für amerikanische Maschinen, die auf Sanktionslisten stehen (z. B für Mähdrescher von John Deere).

Abgewickelt werden die Transaktionen zunehmend bilateral in Renminbi (Yuan) bzw. Rubel via CIPS.

Zuvor hatte China seine Im- und Exporttransaktionen bereits weitgehend auf Euro umgestellt, um die Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern.

China ist aktuell noch vor den USA der größte Handelspartner der EU, der Eurozone sowie Deutschlands.

Zuletzt hatte Deutschland eine Rekordmenge an chinesischen Gütern und Dienstleistungen importiert und damit seine ökonomische Abhängigkeit trotz zeitnah drohender Sekundärsanktionen durch die USA im Zuge des aufflammenden Taiwan-Konflikts erhöht.

Bereits im Jahr 2020 wurden 17,5 Prozent des Handels zwischen Russland und China in Renminbi abgewickelt sowie rund zehn Prozent in Rubel.

Um die wirtschaftlichen Verflechtungen der beiden Riesenstaaten auch auf dem Gold-Sektor zu intensivieren, soll nun eine gemeinsame „Front“ gegen den zum Teil „manipulativen“ Goldhandel in London und den USA etabliert werden.

Die am 30. Oktober 2002 gegründete Shanghai Gold Exchange (SGE) ist eine Tochtergesellschaft der chinesischen Zentralbank (PBOC). Sie gehört zu den zehn größten Goldbörsen der Welt. Hier werden neben Goldbarren vor allem Gold-Futures und -Optionen gehandelt.

Der Standort der Börse hat Symbolcharakter: Die SGE hat ihren Sitz im Gebäude der früheren Russisch-Chinesischen Bank, die nach Plänen des deutschen Architekten Heinrich Becker im Stil italienischer Neorenaissance zwischen 1899 bis 1902 erbaut wurde.

Seit über 100 Jahren dominiert London als weltweit wichtigster Goldumschlagplatz den globalen Goldhandel.

Auch der Gold-Fixing-Preis wird börsentäglich an der Themse bestimmt. Doch hier geht es nicht immer mit rechten Dingen zu, wie diverse Verurteilungen von Goldhändlern und Betrugsvorwürfe bei der Feststellung des Gold-Fixings in einem kartellartigen Preisfindungsverfahren (via Telefonabsprache) zeigen.

Interessierte Kreise in China und Russland wollen das schwindende Vertrauen in den Gold-Standort London nutzen, nachdem die Bank of England (BOE) sowohl venezolanisches als auch russisches Gold beschlagnahmt hat und damit aus Sicht der betroffenen Staaten vertragsbrüchig wurde.

Moskau und Shanghai wollen mit Goldbörsen und Lagerstandorten ihren Alliierten nun Alternativen anbieten, um möglichen direkten Sanktionen oder Sekundärsanktionen durch die USA und ihrer Verbündeten vorzubeugen.

Die Möglichkeit, Zentralbankgold auf diese Weise einzufrieren oder gar zu enteignen soll so unterbunden werden.

Nur hartes Metall, kein Fiat-Geld

Das Besonderheit an den Goldbörsen in Moskau und Shanghai besteht darin, dass eine physische Lieferung vorgesehen ist und keine Lieferung via ungedeckter Papierforderungen (Digitalkontrakte), wie sie an den US-Terminmärkten erlaubt sind, die je nach Kontraktart lediglich via Barausgleich abgerechnet werden können (Cash-Settlement).

Dass Russland eine Goldbörse aufbauen möchte, macht auch aus einem anderen Grund Sinn: Das größte Land der Welt ist nach China und Australien der größte Goldförderer (Quelle: US Geological Survey | Stand: Januar 2022).

Russland plant neben einem Gold-Handelsplatz in der Hauptstadt auch einen Weltstandard (MWS) genannt, an den sich andere weltweit bedeutende Handelsplätze wie Dubai, Shanghai und Mumbai anschließen sollen.

Dieser Plan wurde lange vorbereitet.

Moskau betont explizit, dass diese Börse in Moskau eine Alternative zur London Bullion Market Association (LBMA) darstellen soll, um deren Monopolstellung weiter zu schwächen und möglichen Preismanipulationen durch mehrere Referenzpreise vorzubeugen.

In den letzten Monaten hat Russland zunehmend darauf hingewiesen, dass die LBMA unlautere Praktiken angewandt hat, indem sie den Edelmetallmarkt manipuliert und die Preise über abgesprochene Fixing-Preise niedrig gehalten habe.

Dies habe der Preisentwicklung und damit den Produzenten und Exporteuren finanziell erheblichen Schaden zugefügt.

Diese Vorwürfe haben sich verstärkt, seit dem die LBMA im Rahmen der internationalen Russland-Sanktionen russische Edelmetalle wie Gold, Platin, Palladium, Nickel, Zink, Kupfer etc. vom Handel ausgeschlossen hat.

Ob die geplante Moskauer Goldbörse zusammen mit ihren Kooperationspartnern auch im Westen auf Akzeptanz stößt, bleibt fraglich. Dennoch ist ein Gegenpol zum bisherigen Monopol der LBMA in London und den Terminmärkten in den USA im Interesse einer Liberalisierung des Welt-Gold-Marktes und birgt die Chance auf eine fairere Preisgestaltung im Interesse der Gold-Anleger – abseits der politischen, ideologischen oder moralischen Bewertung Russlands unter der jetzigen Führung.

Autor: Hannes Zipfel
Ökonom
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von Sperber | 15.09.2022, 09:18 Uhr Antworten

Die ökonomische Kehrtwende kann man durchaus auch als Chance verstehen. Aber sollten in dieser Zeit nicht alle, die immer noch Geschäfte mit RUS machen, so wie RPC, eigentlich auf der roten EU Liste stehen ? Zum Anderen wäre es für die EU gut, den quantitativen Billigramsch aus China zu stoppen - defacto nicht mehr auf dem deutschen Markt (auch andere EU Staaten) ZU sehen, und gleichzeitig wieder die Rückkehr zu einer Vorort produzierenden qualitativ hochwertigen und nachhaltigen Industrie in allen Bereichen voran zu treiben. Wir hatten das schon einmal - und nicht nur in Deutschland übrigens. Bevor wir deshalb von Gold reden muß erst einmal wieder das Geld an Wertigkeit gewinnen. Leider wurde in den letzten 20 Jahren der Focus lediglich nur auf die Stabilität einer Währung ausgerichtet. Wohin uns das in der EU geführt hat sehen wir nun alle. Europa kann nicht eine gemeinsame Währung vertreten und auf der anderen Seite die Produktion von wichtigen Gütern fast ausschließlich nur ins Ausland verlagern wodurch es sich abhängig - und angreifbar - macht. Die dadurch enstehenden, fehlenden Ressourcen in Krisen und ihre Auswirkungen kennen wir spätestens seit dem großen C. Wenn mich jemand fragen würde, würde ich genau dieses Ziel derzeit bei RUS und PRC erkennen wollen. CHINA braucht kein russisches Gold oder Platin, da es selber fast unendlich große Vorkommen besitzt. Mit Sicherheit aber ist die Tatsache dass zwei große Nationen mit einem ebenbürtigen Potenzial an Edelmetallen durchaus in der Lage wären eine eigene Währung im Goldstandard eizuführen, welcher sich u.a. auch negativ auf den europäischen Goldmarkt auswirken könnte, von der dort aktuellen Währung einmal ganz abgesehen...

3 Antworten an Sperber anzeigen
von Jean | 28.09.2022, 21:02 Uhr Antworten

Auch ich habe eine Frage:

In der ersten Heraushebung im Text steht: "Sowohl Xi als auch Putin wollen demonstrativ den Schulterschluss gegen die „Anti-Amerikanische-Front“ vollziehen."

Ein Schulterschluss GEGEN die "ANTI-..." wäre ja ein Schulterschluss MIT den Amerikanern. Ist das gemeint? Wohl kaum! Evtl. Korrektur?

von Dr. Schmidt | 28.09.2022, 05:52 Uhr Antworten

"Russland plant neuen Goldhandelsplatz"? Wer sagt das? Bitte die Quelle nennen.

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