Edelmetall-Fans genießen eine prächtige Rally bei Gold und Silber: Während der Goldpreis seit dem März-Tief um 28 Prozent nach oben geschossen ist und mit Kursen von 1.885 Dollar je Unze nur knapp unter dem Rekordhoch vom August 2011 bei knapp über 1.920 Dollar notiert, ist der Silberpreis seit dem März-Tief um 90 Prozent explodiert.
Allerdings liegt er noch meilenweit unter dem 2011er-Spitzenwert von rund 50 Dollar.
Für Auftrieb bei den Edelmetallen sorgten zuletzt neben den alltäglich neuen Rekordzahlen an Corona-Infizieren in den USA die deutlich zunehmenden Spannungen zwischen den USA und China, womit sich die Perspektiven für die US-Wirtschaft deutlich eintrüben.
So hat die USA China aufgefordert, innerhalb von 72 Stunden das chinesische Konsulat in Houston, Texas zu schließen. China hat daraufhin von einer „beispiellosen Eskalation“ gesprochen und mit Gegenmaßnahmen gedroht.
Trump muss weiteres Konjunkturprogramm durchsetzen
Daraufhin sind die Zinsen für 10-jährige US-Anleihen auf knapp unter 0,6 Prozent gesunken und nähern sich damit dem Rekordtief vom 9. März von 0,5 Prozent auf Schlusskursbasis. Damit schätzt der Anleihenmarkt die langfristigen Perspektiven der US-Wirtschaft als so schlecht ein wie selten zuvor.
In dem Umfeld wächst der Druck auf US-Präsident Donald Trump zügig ein neues Billionen Dollar schweres Konjunkturprogramm vom Kongress verabschieden zu lassen, haben doch die bisherigen vier Programme zur Pandemiebekämpfung im Volumen von insgesamt knapp drei Billionen Dollar nur ein Strohfeuer ausgelöst.
Vor allem, weil die Aufstockung der Arbeitslosenunterstützung um 600 Dollar pro Woche, wodurch sich die durchschnittliche Auszahlung annähernd verdreifacht hat, Ende Juli ausläuft.
Sollte es tatsächlich dazu kommen, droht ein Einbruch beim Konsum – zuletzt gab es horrende 32 Mio. Empfänger von Arbeitslosenunterstützung – woraufhin die US-Wirtschaft, die sich zwischenzeitlich deutlich von der Rezession erholt hat - erneut einbrechen würde. Daher streben die von Trump angeführten Republikaner laut einem Bericht eine Reduktion der Aufstockung auf 400 Dollar pro Woche an, und wollen die Maßnahme bis Dezember verlängern.
Sinn der Übung ist es, Trumps Chancen auf eine mögliche Wiederwahl bei der Wahl am 3. November zu verbessern. In dem Umfeld werden die Notenpressen der Fed weiterhin auf Hochtouren laufen, was die Talfahrt des Dollar gegenüber anderen Fiat-Währungen, wie dem Euro, beschleunigen und im Gegenzug den Goldpreis weiter beflügeln sollte.
Silber ist auf der Überholspur
Bemerkenswert ist, dass der Silberpreis gerade in den vergangenen Wochen viel stärker gestiegen ist als der von Gold. Schließlich ist Silber nicht zuletzt ein Industriemetall, stammt doch rund die Hälfte der weltweiten physischen Nachfrage nach dem Metall aus Industrieanwendungen, wie Solar, Elektro und Batterien.
Eine Eintrübung der Perspektiven für die US-Wirtschaft – wie es die sehr niedrigen US-Zinsen klar widerspiegeln – und damit für die Weltwirtschaft spricht eigentlich nicht gerade für steigende Silberpreise.
Allerdings profitiert der Silberpreis von den bevorstehenden kräftigen Investitionen in die Solarenergie und 5G-Mobilfunktechnik. Im laufenden Jahr haben die weltweiten Regierungen Investitionen von umgerechnet mehr als 50 Mrd. Dollar in Erneuerbare Energien beschlossen, davon stammen rund drei Viertel aus Europa.
Für Furore sorgt zudem der „Clean Energy Plan“ des US-Präsidentschaftskandidaten Joe Biden von den Demokraten. Biden hat angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs wolle er innerhalb von vier Jahr insgesamt zwei Billionen Dollar für die umweltfreundliche Umgestaltung der US-Energieversorgung ausgeben. Je besser Bidens Umfragewerte sein sollten, umso mehr dürfte das den Silberpreis beflügeln.
Silber ist langfristig niedrig bewertet
Für Rückenwind bei Silber sorgt zudem, dass es verstärkt als Edelmetall betrachtet und für Investmentzwecke verwendet wird. Üblicherweise steigt der Silberpreis im Falle eines Bullenmarkts bei Gold, also eines nachhaltigen Aufwärtstrends, stärker als der Goldpreis selbst – und genau das sehen wir jetzt.
Nachdem der Silberpreis in den vergangenen Monaten deutlich kräftiger geklettert ist als der von Gold, ist das Gold-Silber-Ratio auf 80,5 gesunken – Gold ist also 80,5 Mal so teuer wie Silber. Das ist der niedrigste Wert seit September 2019. Während der Börsenturbulenzen Mitte März 2020 lag das Verhältnis noch bei einem Rekord von 125.
Allerdings lag der Schnitt in den vergangen 100 Jahren zwischen 50 und 60. Vor dem Hintergrund ist Silber weiterhin günstig.
Die Chancen stehen daher nicht schlecht, dass bei einem anhaltenden Höhenflug des Goldpreises jener von Silber auf der Überholspur bleibt.