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Stand: 17.10.2015 von Mr. Gini
Die Flüchtlingskrise dominiert ja derzeit alles in deutschen Landen. Die Geldpolitik der sog. Hüter der Währung in Frankfurt gerät dabei offensichtlich in den Hintergrund. Ja, seit mehr als einem Jahr, genauer seit dem 4. September 2014 liegt der Leitzins in der Eurozins auf dem historisch noch nie da gewesenen Wert von 0,05 Prozent. Wahnsinn! Und in diesen Tagen im Herbst 2015 deutet sich keine Änderung an. Im Gegenteil. Derzeit wird ja schon diskutiert, ob die monatlichen gigantischen Geldspritzen der Euro-Notenbanker verlängert und ausgeweitet werden sollen.
Die Auswirkungen der Nullzinspolitik auf die Vermögensverteilung

Cui bono?

In dieser Gemengelage stellt sich zweifelsohne die Frage, wer von den geldpolitischen Turbulenzen profitiert. Damit haben sich im Sommer diesen Jahres Herr Dr. Markus Demary und Frau Dr. Judith Niehues vom Institut der Deutschen Wirtschaft intensiv (siehe hier ) beschäftigt. Insbesondere ging es in der Studie um die Auswirkungen der Niedrigzinspolitik auf Ungleichheit und Altersvorsorge.

Werden die Bürger enteignet?

Ob die Niedrigzinspolitik der EZB für die Bundesbürger gut oder schlecht sei, hänge der Studie zufolge nicht unbedingt davon ab, ob sie arm oder reich seien. Viel wichtiger und entscheidender sei den Forschern zufolge die Relation zwischen Vermögen und Schulden. Und just diese Relation hänge klar mit dem Alter zusammen. Spätestens seit die EZB im Herbst 2014 den Leitzins auf 0,05 Prozent abgesenkt habe, werde in Deutschland von der "Enteignung der Sparer" gesprochen. Die berechtigte Frage stellt sich also, ob die aktuelle, extrem expansive Geldpolitik die Ungleichheit in der Bevölkerung verstärken würde. Schließlich würde das Gros der deutschen Kleinsparer sehr wohl unter der Geldpolitik leiden. Zwar werde ihnen nominal nichts weggenommen, aber sie müssen auf Zinsen verzichten und ihre Ersparnisse verlieren real an Wert.

Umverteilung zwischen Verschuldeten und Sparern

Im Geleitzug der Nullzinspolitik würden die Immobilienpreise und Aktienkurse immer weiter klettern, weil sehr viel Geld im Umlauf sei und angelegt werden wolle. Die Forscher stellen also die Frage, ob folglich die Reichen die Gewinner und die Armen die Verlierer dieser Geldpolitik seien. Zwar klinge dies den Autoren zufolge zunächst plausibel, halte doch einem tieferen Blick in die Statistiken nicht stand. Es finde zwar eine Umverteilung statt, aber eben nicht zwischen Arm und Reich, sondern zwischen Verschuldeten und Sparern. Der Grund dafür liege auf der Hand. Konsumentenkredite und Baudarlehen zusammengenommen, mussten Schuldner im Jahr 2014 im Schnitt nur 3,9 Prozent Zinsen zahlen - 2008 waren es noch 5,3 Prozent. Die durchschnittlichen Sparzinsen seien in dieser Zeit von 2,8 auf 0,4 Prozent gesunken. Für einen durchschnittlichen Erwachsenen heißt das, dass seine Zinserträge in den vergangenen sechs Jahren um 450 Euro auf gerade noch 95 Euro eingebrochen seien. Im Gegenzug hätten sich seine Zinsaufwendungen um 209 Euro auf 768 Euro verringert.

Wer profitiert konkret?

Wer von dieser Entwicklung nun konkret profitiere, hänge den Autoren zufolge nicht unbedingt davon ab, ob jemand zu den fleißigen Sparern oder aber zu den Verschuldeten gehören würde. Und auch nicht davon, ob und in welchem Ausmaß jemand Immobilien- und Aktienvermögen besitzen würde. Fakt sei eben, dass die 10 Prozent der Haushalte in Deutschland mit dem kleinsten Nettovermögen im Schnitt überschuldet seien. Ihre Kredite würden ihre Vermögenswerte um mehr als die Hälfte übersteigen. Diese Gruppe stelle sich durch das niedrige Zinsniveau im Durchschnitt gesehen besser. Das gelte jedoch nicht für jene Armen, die zwar wenig auf der hohen Kante haben würden, aber schuldenfrei seien. Ihnen entstehe durch die entgangenen Zinserträge ein glasklarer Nachteil. Das vermögensreichste Haushaltszehntel dagegen hätte den Autoren zufolge wenig Schulden, nämlich lediglich knapp 6 Prozent des Bruttovermögens. Weil diese Gruppe aber immerhin fast 14 Prozent des Vermögens zinsbringend angelegt habe, müssten diese Haushalte unter dem Strich durch die niedrigen Zinserträge ein Minus hinnehmen. Tendenziell steige zwar mit dem Vermögen auch der Anteil an Aktien und Immobilien. Allerdings spielen Aktien der Studie zufolge in Deutschland generell keine große Rolle. Selbst die Reichsten würden nur 2,6 Prozent ihres Vermögens in Unternehmensanteilen halten. Bei den Immobilien hänge die Frage, ob man zu den Gewinnern oder Verlierern gehöre, weniger vom Besitz selbst ab, sondern davon, wie viel des Kaufpreises man über Kredite finanzieren müsse. Und just bei diesem Punkt würden sich Arm und Reich viel stärker als bei den Vermögensanteilen unterscheiden.

Jüngere Haushalte profitieren

Relativ interessant ist auch, dass der Studie zufolge jüngere Haushalte aufgrund ihrer kürzeren Erwerbsbiografie weniger Vermögen als ältere besitzen würden. Die unter 35-Jährigen hätten abzüglich ihrer Schulden im Schnitt 38.000 Euro Vermögen, während die 55- bis 64-Jährigen auf 177.000 Euro kommen würden.Viele Jüngere hätten aber gerade jetzt erst eine Immobilie gekauft und mit einer Hypothek finanziert. Deswegen würden junge Menschen stärker von den niedrigen Schuldzinsen profitieren. Im Alter sehe es dann leider umgekehrt aus. Die Schulden seien dann langsam aber sicher abbezahlt und die entgangenen Zinserträge würden nun stärker ins Kontor schlagen. Demzufolge würden der Altersgruppe von 65 bis 74 Jahren im Jahr 2014 je Haushalt 642 Euro an Einlagezinsen im Vergleich zu 2008 verloren gehen. Diese Generation spare aber nur 126 Euro an Kreditzinsen ein.

Keine Zunahme der Ungleichheit

Entsprechend profitieren die Vermögenden also der Studie zufolge nicht von der Niedrigzins-Politik der EZB. Denn anders als manch einer vermuten würde, unterscheide sich der Anteil von Immobilien und Aktien bei den Vermögensreichen kaum vom Anteil bei anderen Vermögensgruppen. Die Vermögensportfolios der verschiedenen Einkommensgruppen würden praktisch keine Unterschiede in der relativen Zusammensetzung der verschiedenen Kapitalarten aufzeigen. Die Ungleichheit von Vermögen in Deutschland habe durch die aktuell niedrigen Zinsen und steigenden Aktienkurse nicht zugenommen. Der einzige echte Profiteur in Deutschland sei der Staat, der deutlich weniger Zinsen zahlen müsse als früher, so das Fazit von Prof. Hüther, dem Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft.

Probleme für die Altersvorsorge

Nichtsdestotrotz betonten die Experten, dass eine ausgedehnte Phase niedriger Zinsen problematisch für die Altersvorsorge sei. Dies sei vor allem in einer alternden Gesellschaft problematisch, in der der Alterskonsum an Bedeutung gewinnen würde. Um diesen zu finanzieren, müssten die Haushalte in einer Niedrigzinsphase ihre Sparleistung erhöhen und auf Konsum verzichten. Der Rückgang im Konsum könne zusätzlich einen Anstieg des Realzinses verhindern. Es sei also möglich, dass sich eine Situation mit strukturell niedrigen Zinsen einstellen würde. Aus der könne man leider nicht ohne weiteres herauskommen.

Wirtschaftspolitik gefragt

Folglich seien wirtschaftspolitische Maßnahmen, die einen höheren gleichgewichtigen Realzins begünstigen, nötig. Diese Maßnahmen sollte an den Gründen für die fallenden gleichgewichtigen Realzinsen ansetzen. Eine Maßnahme liege dabei in der Ersparnisbildung. In alternden Gesellschaften könne die Ersparnis die Investitionen überwiegen, weil der Alterskonsum an Bedeutung gewinnen, und darüber zu einem niedrigen Realzins führen würde. Durch die Erhöhung der Lebenserwartung um zehn Jahre von 1970 bis 2010 ohne eine gleichzeitige nennenswerte Erhöhung des Renteneintrittsalters seien nun erhebliche Sparleistungen erforderlich, um den Alterskonsum zu finanzieren. Eine Beibehaltung einer solch langen Rentenphase werde zu strukturell niedrigen Realzinsen und stärker steigenden Vermögenspreisen führen und damit die Ungleichheit verstärken. Um diesen Prozess aufzuhalten, müsste das Renteneintrittsalter so angehoben werden, dass sich ein Realzins ergebe, der zu einer stabilen Verteilung von Vermögen und Einkommen führe. Konkret bedeute dies, dass für die jüngere Generation deshalb ein Renteneintrittsalter von über 67 Jahren notwendig sein werde.

Bilanzbereinigung nötig

Ferner stellen die Experten fest, dass trotz niedriger Zinsen die Investitionsnachfrage der Unternehmen im Euroraum gering sei. Dies mag zwar auf ein Fehlen einer Basisinnovation zurückzuführen sein, sei aber auch der aktuellen Politikunsicherheit sowie der immer noch nicht überwundenen Bilanzrezession im Euroraum geschuldet. Da überschuldete Unternehmen und Haushalte ihre Bilanzen bereinigen müssten, fahren sie ihre Ausgaben herunter. Bei einer niedrigen Investitionsnachfrage und gleichzeitig hohen Ersparnissen müsse der Realzins niedrig ausfallen. Zu einem Anstieg des Realzinses werde es folglich aber erst dann kommen, wenn die Bilanzen der Unternehmen bereinigt seien und die Investitionsnachfrage wieder steigen würde.

Innovationsfreundliches Umfeld

Das Potentialwachstum im Euroraum sei immer noch niedrig und einige Analysen kommen zu dem Schluss, dass es noch für längere Zeit niedrig sein werde. Ein Umfeld geringen Potentialwachstums begünstige einen geringen Realzins. Maßnahmen zur Erhöhung von Potentialwachstum und Realzins liegen in einer Erhöhung der Produktivität. Da die Totale Faktorproduktivität vor allem durch Basisinnovationen erhöht werde, müsse ein innovationsfreundliches Umfeld geschaffen werden. Dazu gehöre die Förderung von Forschung und Entwicklung sowie gute Rahmenbedingungen für Venture Capital Unternehmen, die in junge und hochinnovative Unternehmen investieren.

Sichere Anlagen gefragt

Und last, but not least führe das Fehlen von sicheren Anlageformen zu einer großen Nachfrage nach Aktien und Immobilien, was deren Renditen treiben würde. Der Rückgang im Angebot an sicheren Anlagen sei vor allem der Staatsschuldenkrise im Euroraum geschuldet. Die mit der Krise einhergehende Unsicherheit habe zu einem gleichzeitigen Anstieg in der Nachfrage nach sicheren Anlagen geführt, wodurch deren Renditen sanken. Das Angebot an sicheren Anlagen könne vor allem im Bereich der Staatsanleihen und über hochwertige Verbriefungen erreicht werden. Dies setze aber eine Überwindung der Staatsschuldenkrise im Euroraum und nachhaltig stabile Staatsfinanzen und auch stabile Banken voraus.

Ja, und davon sind wir leider noch weit, ja sehr weit entfernt.

Und es ist auch fraglich, ob die verantwortlichen Politiker die nötigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen in der Praxis umsetzen werden...

Autor: Mr. Gini
Autor für Weltwirtschaftsthemen
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