Gold: 2.242,84 € 0,35 %
Silber: 26,71 € 0,68 %
Stand: 02.05.2023 von Hannes Zipfel
In nicht einmal zwei Monaten gingen drei US-Banken und die Credit Suisse bankrott und mussten geschlossen bzw. notverkauft werden. Nun stehen für diese Woche weitere Zinserhöhungen an: in den USA und im Euroraum. Da die Krise im Bankensektor in direktem Zusammenhang mit der Zinspolitik steht, wird dies eine der spannendsten Wochen der letzten Jahre, nicht nur für die Bankaktien.
Zinsgipfel oder Kurssturz

Kursrelevante Termine für Gold, Silber & Co. in der KW 18:

Montag / Feiertag: Tag der Arbeit, US-Einkaufsmanagerindex ISM Verarbeitendes Gewerbe für April (akt.: 47,1 | März: 46,3).

Dienstag: Einzelhandelsumsätze Deutschland März auf Jahresbasis (akt.: -8,6 % | Feb.: -7,1 %), Einkaufsmanagerindex Industrie Euroraum für April (akt.: 47,8 | Feb.: 47,9), Verbraucherpreise Euroraum für April (akt.: +7,0 % | März: +6,9 %), USA offene Stellen für April in Millionen (e: 9,775 | März: 9,93).

Mittwoch: US-Beschäftigung im privaten Sektor (ADP) im April in Tausend Stellen (e: 150 | März: 145), US-Einkaufsmanagerindex Dienstleistungen für April (e: 53,7 | 52,6), Leitzinsentscheid der US-Notenbank Fed um 20 Uhr MESZ inkl. schriftl. Statement (e: +25 BP auf 5,00 - 5,25 Prozent p. a. | akt.: 4,75 - 5,00 Prozent p. a.), Pressekonferenz der Fed um 20:30 Uhr MESZ.

Donnerstag: DE-Einkaufsmanager Gesamtindex für April (e: 53,9 | März: 52,6), Leitzinsentscheid der Europäischen Zentralbank EZB um 14:15 Uhr (e: +BP auf 3,75 % p. a. | akt.: 3,5 % p. a.) inkl. geldpol. Begleittext, Pressekonferenz mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde um 14:45 Uhr, Bilanzsumme der US-Notenbank Fed (akt: 8,563 Billionen US-Dollar).

Freitag: Caixin Einkaufsmanagerindex China Dienstleistungen für April (e: 57,3 | März: 57,8), Einkaufsmanager Industrie für März (e: -2,2 % | Feb.: +4,8 %), Einzelhandelsumsätze Euroraum für März (e: -3,1 % | Feb.: -3,0 %), US-Beschäftigung außerhalb der Landwirtschaft für April (e: 180k | 236k), Terminmarktdaten der US-Aufsichtsbehörde CFTC zu Gold und Silber (COT-Reports; 21:30 Uhr MESZ)

Weitere Daten-Termine, Details zu den Prognosen sowie historische Zeitreihen finden Sie hier.

Eine außergewöhnliche Woche

Selten gibt es Wochen, in denen so viele wichtige weltweit Wirtschaftsdaten lanciert und gleichzeitig von den beiden bedeutendsten Noten- bzw. Zentralbanken wichtige geldpolitische Entscheidungen getroffen und Aussagen getätigt werden:

Neben den beiden Zinsentscheidungen am Mittwoch (USA) und Donnerstag (Euroraum) erhalten die Anleger einen Einblick in den Stand der Konjunktur durch weitere Arbeitsmarktdaten (offene Stellen in den USA; JOLTs), dem Einzelhandel in Deutschland und Europa sowie der Konsumententeuerung im Euroraum. Außerdem werden diverse Einkaufsmanagerindizes in der Industrie und im Dienstleistungssektor von China über Europa bis Nord-Amerika veröffentlicht.

Eine erste Zinsentscheidung, die allerdings für die Edelmetallpreise weniger relevant ist, gab es bereits am Dienstagmorgen: die Royal Bank of Australia (RBA) beließ ihren Leitzins wie erwartet unverändert bei 3,6 Prozent p. a.

Konsum in Deutschland bricht stark ein

Deutlich schlechter als erwartet und mit einem dicken negativen Vorzeichen versehen meldete am Dienstagmorgen das statistische Bundesamt in Wiesbaden (DeStatis) die deutschen Einzelhandelsumsätze für den Monat März:

Mit einem Einbruch von -8,6 Prozent gegenüber März 2022 fiel der Jahreswert noch einmal deutlich schwächer aus als mit -7,1 Prozent im Februar 2023 und ist somit der stärkste Rückgang seit 9 Monaten.

Die erhoffte Reduzierung des Rückgangs beim deutschen Einzelhandel auf nur noch -6,1 Prozent fand nicht statt und wurde auf Jahresbasis um 2,5 Prozentpunkte unterboten.

Deutschland: Veränderungrate Einzelhandelsumsätze

Besonders deutlich wird die wieder schwindende Kauflaune im Monatsvergleich: Statt eines Anstiegs um 0,4 Prozent kam es zu einem Minus von 2,4 Prozent. Von Januar auf Februar betrug das Minus 0,3 Prozent gegenüber Dezember 2022.

Die deutschen Einzelhandelsumsätze beschreiben die Erlöse der Einzelhändler und gelten als wichtiger Indikator für die gesamten Verbraucherausgaben. Bei der Ermittlung des Indikators wird der stationäre Handel sowie Autohändler stichprobenartig befragt. Der private Konsum gilt als wichtigste Stütze der deutschen Wirtschaft. Wenn die Umsätze im Einzelhandel steigen, gilt dies als Zeichen für ein breit angelegtes Wirtschaftswachstum. Schwache Einzelhandelsumsätze sind ein negativer Hinweis auf den Gesamtkonsum und signalisieren wirtschaftliche Schwäche.

Leitzinsentscheidung der US-Notenbank – Tanz auf dem Vulkan

Bereits im Auftaktquartal dieses Jahres hielten sich die Kreditnehmer (v. a. kleinere Unternehmen) und die Kreditgeber (v. a. Regionalbanken) wegen der höheren Finanzierungskosten und der gestiegenen Kreditausfallrisiken zurück. Wie die US-Notenbank am 30. März 2023 verkündete, haben die US-Banken ihr Kreditangebot in den letzten 18 Monaten zum Quartalsultimo März 2023 deutlich reduziert, was einen schwächeren und unsichereren makroökonomischen Ausblick und eine geringere Risikotoleranz der Wirtschaft widerspiegelt. Netto gaben 43,8 Prozent der Banken an, die Kreditvergabestandards für kleinere Unternehmen im ersten Quartal 2023 verschärft zu haben. Im Schlussquartal 2022 waren es nur 31,8 Prozent.

Dabei erfolgte die letzte Zinsanhebung der US-Notenbank (Fed) erst am 22. März, also gegen Ende des ersten Quartals um weitere 0,25 Prozentpunkte.

Ihr europäisches Pendant, die Europäische Zentralbank (EZB), wagte ihren letzten Zinsschritt am 16. März um 0,5 Prozentpunkte auf aktuell 3,5 % p. a. (Quelle: Leitzinsen.info):

Znsvergleich USA vs. Eurozone

Wie deutlich sich die strafferen Kreditkonditionen bereits auf die kleineren Unternehmen auswirken, die 44 Prozent zur Unternehmensaktivität in den USA beitragen und wie die Konsumenten stark auf Anschlussfinanzierungen und Neuverschuldung angewiesen sind, zeigt eine Umfrage unter Kleinunternehmen. Die Stimmung ist hier so skeptisch wie zuletzt vor fast 43 Jahren. Quelle: U.S. Census Bureau, Refinitiv:

Bereitschaft kleinerer Unternehmen zu Expandieren

Erwartungen vs. Realität

Brisant sind die beiden Zinsentscheidungen der Fed und der EZB nicht nur unter realwirtschaftlichen Aspekten, wo Konsum und Investitionen bereits leiden und Vermögenspreise beginnen zu fallen (v. a. bei Gewerbeimmobilien).

Die Erwartungshaltungen der Anleger und der Mitglieder der Zinsentscheidungsgremien liegen meilenweit auseinander, wie folgende Grafik offenbart. Die blaue Linie zeigt die Erwartung via Leitzins-Future-Kontrakten an der CME sowie weiß gestrichelt die Prognosen der Notenbanker (Quelle: CME Group, Fed Dot-Plots):

Erwartung via Leitzins-Future-Kontrakten

Auffällig ist, dass die Geldpolitiker in Washington bis Ende dieses Jahres noch eine Zinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte, die für Mittwoch erwartet wird, vornehmen möchten, um dann bis Jahresultimo zu pausieren.

Die Anleger gehen allerdings davon aus, dass die jüngsten Turbulenzen im Bankensystem und die deutlich restriktiver werdenden Kreditvergabebedingungen bei gleichzeitig fallender Kreditnachfrage bereits im Spätsommer zu geldpolitischen Wende mit wieder fallenden Zinsen führen.

Diese Diskrepanz wird auch in der Gegenläufigkeit der Zins- bzw. Renditeentwicklung kurz- vs. langlaufender US-Staatsschuldpapiere deutlich:

US-Leitzinsen vs. 10-Jähriger US-Staatsamnleihe

In vergangenen Zyklen war eine solche Entwicklung immer auch ein Anzeichen für eine bevorstehende Zinswende der US-Notenbank.

Neben der reinen Zinsentscheidung (Mittwoch, 20:00 Uhr MESZ) wird der Begleittext sowie die anschließende Pressekonferenz mit Fed-Chef Jerome Powell (20:30 Uhr MESZ) mit Hochspannung erwartet.

Wenn Powell, wie von den Märkten erhofft, eine Zinspause ankündigt und die Risiken der Konjunktur stärker betont als die ohnehin abnehmende Inflationsdynamik, dann wäre dies auch für die Edelmetalle sehr vorteilhaft und könnte neue signifikante Kursimpulse setzen, bis hin zu neuen Allzeithöchstständen beim gelben Edelmetall in Euro und US-Dollar.

Gibt sich Powell ab verbal eher „hawkish“, also in der Tendenz Richtung weiterer Straffung der Geldpolitik, dann stehen den Finanzmärkten und dem Bankensystem unruhige Zeiten bevor.

EZB mit kleinem Zinsschritt

Auch den Geldpolitikern in Europa ist nicht entgangen, dass die Wirtschaft bereits deutlich an Fahrt verliert. Das Wachstum in der nach wie vor größten Volkswirtschaft in der Europäischen Union, Deutschland, stagnierte bereits im ersten Quartal 2023.

Gleichzeitig bleieb die Inflationsrate in der Eurozone mit 7 Prozent im April nach 6,9 Prozent im März nach wie vor relativ hoch.

Auch bei der EZB wird es daher am Donnerstag nach der Verkündung der Zinsentscheidung und dem Begleitpapier (14:15 Uhr) in der Pressekonferenz mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde (14:45 Uhr) erst so richtig spannend. Denn die Uneinigkeit über die weitere Geldpolitik ist aktuell wohl in keiner anderen bedeutenden Zentralbank der Welt so groß wie in der EZB, was zu extrem konträren öffentlichen Meinungsäußerungen geführt hat. So wollen die Vertreter der Südländer im EZB-Rat einen sofortigen Stopp der Zinsanhebungen und die Nordländer einen großen Zinsschritt um weitere 0,5 Prozentpunkte.

"Große" Arbeitsmarktdaten am Freitag

Als wäre die Woche nicht so schon spannend genug, werden am Freitag um 14:30 Uhr MESZ die "großen" US-Arbeitsmarktdaten veröffentlicht. Diese sind wegen des Doppelmandats (Preisstabilität und Vollbeschäftigung) für die Fed von hoher Relevanz.

Neben den neu geschaffenen Stellen außerhalb der Landwirtschaft wird sie daher auch auf die Arbeitslosenquote und die Stundenlöhne schauen.

Nach 236k neuen Stellen im März wird für April nur noch mit 180k neuen Stellen außerhalb der Landwirtschaft gerechnet.

Bereits am Mittwoch werden die privatwirtschaftlich von ADP erhobenen neuen Stellen einen gewissen Vorgeschmack auf die offiziellen US-Arbeitsmarktzahlen am Freitag bieten.

Hopp oder Top

Am Ende dieser aus deutscher Sicht wegen des Feiertags am Montag verkürzten Handelswoche könnte das Umfeld für Gold und Silber signifikant anders aussehen als zum Wochenauftakt.

Es bleibt allerdings zu befürchten, dass selbst drei der größten Bankenpleiten in der US-Geschichte seit der letzten Zinsanhebung der Fed diese nicht davon abhalten wird, weiter mit dem Feuer zu spielen – bis zu einem "Event", der die US-Notenbank und auch die EZB dazu zwingt, ihre Geldpolitik wieder drastisch zu lockern (Zinssenkungen und Geldmengenausweitung) um Kollaps des Finanzsystems abzuwenden.

Autor: Hannes Zipfel
Ökonom
Ihre Meinung zum Thema?
Sicherheitsfrage: Wie viele Münzen sehen Sie?
Fragen über Fragen
Ich stimme zu, dass mein Kommentar und Name zur Veröffentlichung auf GOLD.DE gespeichert wird. Die Netiquette für Kommentare hab ich gelesen. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit per Mail an info@gold.de widerrufen. Unsere Datenschutzerklärung.
von Isaak | 04.05.2023, 22:34 Uhr Antworten

Solange die Kontrolle des Geldes und dessen Geldkreisläufe an den Jakob Segen gekoppelt bleiben solange bleibt dieses "Spiel" alle 80-100 Jahre immer wieder dasselbe. Ein perverses abartiges Spiel einer Menschheit die schlichtweg nicht erwachsen werden will.

von Wunschgemäß | 04.05.2023, 10:46 Uhr Antworten

...entsprechen wir dem Willen der Wähler und koalieren in einer Ampel. Steht sie zu lange auf Rot, darf man auch einfach mal weiter gehen. Der Weg ist ohnehin holprig und führt, mangels Straßen und Tassen, ins Grüne. Gelb ist ein bisschen wie Gold und steht für eine gewisse (Entscheidungs-) Freiheit.

Copyright © 2009-2024 by GOLD.DE – Alle Rechte vorbehalten

Konzept, Gestaltung und Struktur sowie insbesondere alle Grafiken, Bilder und Texte dieser Webseite sind urheberrechtlich geschützt. Missbrauch wird ohne Vorwarnung abgemahnt. Alle angezeigten Preise in Euro inkl. MwSt. (mit Ausnahme von Anlagegold), zzgl. Versandkosten, sofern diese anfallen. Verfügbarkeit, Abholpreise, Goldankauf und nähere Informationen über einzelne Artikel sind direkt beim jeweiligen Händler zu erfragen. Alle Angaben ohne Gewähr.

Stand: 09:45:49 Uhr