Kommt nun die Deflation ?

Tagesgespräch zu Wirtschaftsthemen wie Geldmarkt, Börse, Währung, Finanzkrise, Inflation aus Deutschland und der Welt

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Beitrag 12.06.2014, 15:02

Geldsammler
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Nachtrag: Was im EZB-Warenkorb auch nicht erfasst ist: Die Preissteigerungen für Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherungen, Steuern, Abgaben etc.

Beitrag 13.06.2014, 07:30

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Ladon
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Geldsammler hat geschrieben:
Schrumpft das "Volumen" INSGESAMT auf breiter Front, dann schrumpfen die MARGEN! Und genau das fuehrt im bestehenden System zu Panik
Schrumpfen die Preise, dann schrumpfen die Margen. Soweit so, so nachvollziehbar. Das schrumpfende Kreditvolumen oder die steigenden Kreditkosten als maßgebliche Ursache dafür, erscheinen mir aber höchst unlogisch zu sein. Außer vielleicht bei privat finanzierten langfristigen Gütern, wie bei Autos oder Immobilien. Konsumgüter kauft keiner auf Kredit. Hier geht es eher um ein Nachfrageproblem. Das heißt, den Endkunden fehlt letztlich die Kaufkraft/ein ausreichendes Nettoeinkommen. Inflatorische Maßnahmen, die durch Verringerung der Kreditkosten (=Zinsen) und der Sicherheiten durchaus von den Zentralbanken gesteuert werden, verschärfen diese Situation aus meiner Sicht eher, anstatt sie abzumildern. Denn den Konsum kann man durch Inflation nicht pder nur wenig stimulieren. Lediglich bei langfristig nutzbaren Gütern, die auf Kredit gekauft werden. Und hier kommt es dann - siehe Immobilienmarkt zu Preissteigerungen, die auf das Frei verfügbare Einkommen durchschlagen. Dem Einzelnen bleibt weniger in der Tasche zum Konsumieren. Kaufzurückhaltung trotz Senkung der Leitzinsen. Nein, gerade deswegen.

Oder unterliege ich hier einem Denkfehler?
Wuerde ich so nicht sagen. Nur, vielleicht kann ich mich so verstaendlich machen, bewertest Du "von ausserhalb". Man muss aber das System; siehe oben: Inflationsrate IST halt nun mal qua Definition ueber den Warenkorb zu bestimmen. Da gibt es kein "der Warenkorb" ist falsch oder unvollstaendig oder so.
Wenn Du etwas in Meter misst, dann ist es beispielsweise einfach nicht moeglich zu sagen, die Angabe "X Meter" ist falsch, weil man korrekterweise in Fuss messen muesste und dann ergeben sich "Y Fuss".

Konkret habe ich auch nicht von Privatkrediten gesprochen. Waehrend Du die Sache darauf sogar BESCHRAENKST.
Kredit ist der Motor JEDER Unternehmung (im Sinne von "gewerblichem Unternehmen). JEDES! Auch wenn ich ohne einen Euro Schulden zu machen morgen eine Pommes-Bude eroeffne> Das UNTERNEHMEN "Ladons Fritten" bekommt von mir "Kredit" - naemlich das Geld mit dem ich die Friteuse und den Imbisswagen kaufe.
Moeglich, dass da ein kleiner "Denkfehler" liegt.

Entscheidender aber ist das Missverstaendnis. Mir ging es um die allgegenwaertige "Nominal-Illusion":
Schrumpfende Margen loesen in der Wirtschaft (im bestehenden System) Automatismen aus. Gewinnrueckgang schickt den Kurs in den Keller, die Banken (Kreditgeber) werden nervoes, Rationalisierung und Effektivitaetssteigerung wird gefordert, Leute werden entlassen ...
Das ist hoechst einfach ausgedrueckt, soll aber auch nur die Tendenz zeigen. Wenn NOMINAL weniger "rum kommt" schliddert dieses System! Weil es der Nominal-Illusion unterliegt ... uebrigens genau so wie viele EM Besitzer, die nicht beruecksichtigen, dass ihr feuchter Traum von "10.000 pro Unze" ohne jede Aussagekraft ist, was diese "10.000" dann "wert" sind. Wenn Margen, Gewinne (und dann in der Folge eben auch Preise und Loehne!!!) SINKEN passieren "Dinge" in der Wirtschaft. Die moegen unlogisch sein (was kann denn schlimm daran sein, wenn der Unternehmensgewinn mal absinkt? Es bleibt doch ein gewinntraechtiges Unternehmen?), vielleicht falsch - aber es sind die Automatismen des Systems.
Ich habe also keinerlei "massgebliche Ursachen" aufgezeigt! Sondern einfach nur die "Mechanik" des Systems, die ganz automatisch einsetzt, wenn gewisse Hebel umgelegt werden. Da wird nicht "gefragt" oder nachgeshen, ob es nicht auch "anders" ginge. Das Wirtschaftssystem unterliegt einem Wachstumszwang - und das ist ebennicht nur eine Worthuelse, die den Wunsch nach steigendem Gewinn ausdrueckt! Nein, Wachstum ist eine Voraussetzung fuer das Funktionieren: von der Kreditvergabe (ja, sie IST zentral, denn durch sie entsteht hauptsaechlich das Systemgeld) bis zum Verbraucherpreis.
Weniger = schlecht
Mehr = gut
Wie absurd das ist, wissen wir ... eigentlich. Wir schwadronieren doch dauernd davon, dass es die Kaufkraft ist, die ausschlaggebend fuer den Wert unserer Goldhorte ist.
Aber wer wird freilwillig Lohnverzicht ueben? Wer wird freiwillig geringere Unternehmensgewinne akzeptieren - auch wenn diese nur "nominal" sind, weil doch auch die Preise fallen?
Niemand! Die Pfruende werden mit Zaehnen und Klauen verteidigt. Von allen.
Weil die Entwicklung nicht im Gleichschritt ist und niemals sein kann (ausser in Planwirtschaften, wo das halt festgelegt wird). Also entstehen Risse im Gefuege und Ungleichgewichte - und die zerren dann weiter ...

Wenn ich einen "Denkfehler" benennen muesste, dann also den, dass Du die Sache als irgendwie autarkes Phaenomen siehst und nicht als immanentes Systemproblem, das entsteht, wenn eben gewisse Kennzahlen sich in einer gewissen Weise veraendern.
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Beitrag 13.06.2014, 08:31

Geldsammler
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Das Deflation negativ für das System ist: stimmt.
Dass Inflation - absichtlich?- mit Preissteigerung im privaten Sektor und nur auf einen bestimmten Warenkorb fehlinterpretiert ist auch ein Fakt. Denn das Wort hat einfach eine andere Bedeutung und wurde von den Volkswirtschaftlern auch so definiert. Preissenkungen sind per se also nicht deflationsbedingt, sondern können viele andere Ursachen haben: verstärkter Wettbewerb, nachlassende Nachfrage, Effizienzsteigerungen durch Automatisierung, staatliche Subventionierung etc. Daraus bastelt man sich das Schreckensbild der Deflation und pumpt Geld, nein nicht in die Märkte und die Realwirtschaft, sondern in die Finanzwirtschaft.
Zuletzt geändert von Geldsammler am 13.06.2014, 14:39, insgesamt 1-mal geändert.

Beitrag 13.06.2014, 08:42

Geldsammler
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Noch ein Hinweis zu "Ladons Frittenladen" (wusste gar nicht, dass Du jetzt in die Fast-Food-Industrie gehst):
Ich weiß nicht, ob man das als "Kredit" bezeichnen darf.
Du investierst in ein Unternehmen, das heißt Du kaufst einen Unternehmensanteil (in diesem Fall 100%). Du erwirbst also gegen eine Zahlung und bist an Erfolg und Misserfolg beteiligt, hast aber keinen Anspruch auf Zinsen oder Rückzahlung durch dieses juristisch-wirtschaftliche Subjekt (dein Unternehmen). Aber Du kannst dein Eigentum natürlich verkaufen. Sehe ich eher wie den Kauf eines Autos. Das bringt zwar keine Rendite, aber eben einen anderen - auch finanziellen - Vorteil (in diesem Fall die Möglichkeit, individuell Ziele anzusteuern). Nur, weil Du mit der Beteiligung an einem Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen suchst, kann man das meiner Meinung nach nicht als Kredit definieren.
Vielleicht macht man das aber so in der Wirtschaftstheorie, da bin ich mir nicht sicher.

Beitrag 13.06.2014, 08:47

Geldsammler
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Und noch ein Nachtrag (ja ich habe Deine Kritik kapiert): Natürlich ist in einem System, die auf "Kreditgeld" beruht, auf leichte Inflation angewiesen.
Ich bin dazu auf ein einfaches Beispiel gestoßen, dass ich erst nicht kapiert habe. Aber, wenn man sich vor Augen hält, dass (Giral-)Geld immer nur durch Kredit "entsteht", dann wird es klar.
„Aber Papa, das geht doch gar nicht.“

„Warum?“

„Das Geld ist doch gar nicht da!“

„Genau mein Sohn.“

„Voll gemein…“
http://lqservicesblogwatch.wordpress.co ... ler-fsk-8/

Beitrag 13.06.2014, 11:00

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Ladon
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Preissenkungen sind eine mögliche FOLGE deflationärer Entwicklungen und eine "sichtbare". Selbstredend KÖNNEN sie andere Ursachen haben - aber darüber reden wir doch nicht.

Meine "Frittenbude" ist für sich gesehen ein eigenes Wirtschaftssubjekt. Das MUSS irgendwo her Geld bekommen um agieren zu können. Da es für sich gesehen erst NACH Aufnahme der Geschäftstätigkeit Mehrwert erschaffen kann braucht DIESES Wirtschaftssubjekt ZUERST Kredit.
Im Mikrofall des kleinen Einzelunternehmens eben vom Eigentümer.
Diese Trennung kommt im Begriff der "juristischen Person" zum Ausdruck. Du unterscheidest nicht zwischen Unternehmen und Unternehmer! Als GmbH Gesellschafter "spürst" Du das sehr schnell (eigentlich bei jeder Bilanz) ...
Ja, das ist immer und ausnahmslos Kredit und keine Anschaffung.
(Aber das ist jetzt nur ein begriffliches Problem - oder doch nicht? Man muss das verstehen, dann erst wird klar, warum ein Fugger sagte "wenn du keinen Kredit hast, hast du nichts".

Richtig ist natürlich zu hinterfragen, wie Kredite entstehen. Und da ist natürlich ein riesiger Unterschied zwischen "Einsammeln momentan ruhenden Geldes und Weiterleiten an "Orte" wo es gerade gebrazcht wird" und "entdesselter Giralgeldschöpfung".
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Beitrag 13.06.2014, 11:33

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Goldistan
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Ladon hat geschrieben:aber darüber reden wir doch nicht.
Darüber bin ich auch gestolpert. Über was geredet wird, muss offenbar erst noch definiert werden und wenn es argumentativ nicht mehr passt, wird auch der Diskussionsgegenstand umdefiniert. Kommt hier öfter im Forum vor, ist vergebene Liebesmüh und ich taufe es jetzt mal auf den Begriff

"Herakles-Syndrom".

Ich finde es lustig, dass gleichzeitig Blogs als Quellen angeführt werden und VWL-Halbwahrheiten als fakt präsentiert werden.

Kann dir, Ladon, nur empfehlen, im Zweifelsfall nicht mehr zu antworten. Spätestens wenn ein Thread zur Kasperle-Bühne wird, in dem es offenbar um Selbstdarstellung, nicht um "verstehen wollen" geht oder die Annahme an Kritik der eigenen Argumentationskette offenbar unmöglich ist.

@ Geldsammler:
Fakt ist, dass VWL-Begriffe zumindest einem bestimmten Rahmen haben, auch wenn sie weitläufig gefasst und unterschiedlich im Wortlaut definiert werden.
http://www.cesifo-group.de/de/ifoHome/f ... ation.html

http://www.cesifo-group.de/de/ifoHome/f ... ation.html

Da kann man rumlavieren, wie man will, es gibt eine gängige Gültigkeit für Inflation und eine für Deflation.

Beitrag 13.06.2014, 12:39

Geldsammler
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Vollkommen richtig. Zuerst braucht man eine Definition, auf die man sich eingt. Aber selbst die Wissenschaft setzt hier andere Akzente in der Definition. Und irgendwie müssen die Begriffe auch entstanden sein. Nimmt man die Definition von Goldistan her, dann spricht sie von "tendenziellem Anstieg" der "meisten" Preise. Schon der nächste Satz biegt sich diese, an sich auch von mir so immer verstandenen Definition zurecht, bezieht sie nur auf "Verbraucherpreise" und rückt damit wieder von der eigentlichen Definition ab. Damit beschreibt sie allerdings nur den Fakt, wie heute Inflation festgestellt wird. Ohne dabei den Widerspruch aufzudecken. Denn z.B. auch der Anstieg der Immobilienkaufpreise gehört lt. Definition zum Phänomen der Inflation, fließt aber nicht in die Berechnung der offiziellen Kennzahlen ein. Das führt dazu, dass inflatorische Gefahren nicht oder zu spät wahrgenommen bzw. vermeintliche Deflationsgefahren erkannt werden.
Nur die Tatsache, dass dies in der Praxis so gehandhabt wird, bedeutet nicht, dass es richtig ist. Nur wenn man auf diesen Umstand hinweist, bedeutet nicht dass man volkswirtschaftlich minderbemittelt ist.

Goldistan: Habe ich VWL-Halbwahrheiten als Fakt präsentiert oder Blogs als Quellen angeführt? Die Blogs waren nur als Erweiterung des Horizonts gedacht. Aber Überflieger haben das natürlicht nötig. Wissenschaft bedeutet für mich in erster Linie Dinge zu hinterfragen und Theorie und Praxis abzugleichen. Komisch, dass viele renommierte Wissenschaftler die Schuldenkrise nicht haben kommen sehen. Obwohl - wie in einem letzten Link schön erläutert - eigentlich klar sein müsste, dass das System nicht funktioniert.
Ich laviere auch nicht herum. Fakt ist, das sich Inflation per Definition erst mal auf das Aufblasen der Geldmenge bezieht. Mag sein, dass ich ich sehr auf dem Standpunkt der Österreichischen Schule und der Definition von Mises stehe.Aber Ludwig von Mises ist nun durchaus auch ein renommierter Volkswirtschaftler. Den Widerspruch, den die gängige Inflationsdefinition und -messung eröffnet, habe ich oben ja schon erklärt. So und nun halt ich mein Maul. Offenbar ist es ja leichter, wenn jeder auf seinem Standpunkt beharrt.

Beitrag 13.06.2014, 14:02

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Goldistan
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Eine andere Meinung zu haben und unter einem Begriff etwas anderes zu verstehen, ist legitim.

Da du dich offenbar der Kritik stellen willst, vielleicht etwas genauer (rumlavieren):

Der kleine Unterschied besteht darin, erst mit dem Begriff zu hantieren (hierbei darf jeder Leser eben doch erst von einer gängigen Def. ausgehen) und ihn erst im Verlauf der Diskussion umzuerklären bzw. zu schreiben, "aber ich meinte das so". Um das mal ganz platt auch für diesen und den anderen Thread zu zeigen:

"Haben wir eine Deflation? Kommt eine Deflation?"

Anderer Teilnehmer: "Nein, weil... Deflationsdetail nicht gegeben"

Antwort: "Das stimmt nicht, weil Deflationsdetail gar nicht so zu verstehen ist und Deflation anders definiert ist."

Anderer Teilnehmer: "Deflation bedeutet doch aber..." (mit Bezug, dazu, warum auch die ursprüngliche Antwort so gegeben wurde)

Antwort: "Fakt ist dass...."

In der Folge wird darüber diskutiert, wie jeder den Begriff versteht oder wie er zu verstehen sei.

Nur um das mal anzumerken: In der medialen Debatte wurden die Begriffe genauso verwendet und blendend manipulativ eingesetzt. Und eben gerade nicht nach einer anderen VWL-Denke/-Schule. Daher kamen wir doch in beiden Threads? Verlinkte Presseartikel.

Was ich konkret kritisiert habe, war nicht, dass du eine andere Sichtweise auf Deflation hast, sondern dass erst im Lauf der Diskussion der Kontext so lange gedreht wird, bis daraus eine gewinnende Argumentationskette entsteht.

Das ist in einem Debattierclub oder Wettbewerb sicher gängig, in einer Forendiskussion...anstrengend. siehe oben ;) Da Herakles das besonders weit gespielt hat, hab ich ihn jetzt zum Namensgeber erkoren.

Mein vorhergehendes Posting mag auf dich arrogant wirken. Ich habe weder die Deutungshoheit über VWL-Begriffe noch eine unumstößliche Meinung oder die Weisheit mit Löffeln gefressen. Dennoch ist das für mich nicht mehr als ein Loriot-Sketch und ich wollte Ladon ersparen, weiter wie Don Quichote Zeit zu verschwenden.

Beitrag 13.06.2014, 14:25

Geldsammler
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Hallo Goldistan: Ich will hier nicht spielen, herumlavieren und muss auch nicht unbedingt Recht (für mein Ego) haben. Meine Motivation ist einfach, die Dinge von einer anderen Seite zu beleuchten, als die "gängige" oder "offizielle" Deutungsweise. Ich finde das Thema ungeheuer spannend, auch weil es sich im Spannungsfeld von wirtschaftlichen Einzelinteressen, Wissenschaft und Politik bewegt. Ich will darüber fair diskutieren und nicht streiten. Wenn darauf sonst keiner Lust hat, lasse ich es bleiben, kein Problem.

Zur Sache:

Ich habe inzwischen mal die Definitionen von Inflation (Deflation ist ja einfach gesagt das Gegenteil) angesehen.

Hier findet man die ganze Bandbreite zwischen
1. Allgemeiner Preisniveausteigerung
2. Geldmengenausweitung

Das Gabler-Wirtschaftslexikon windet sich ein wenig um die Ursachen der Preisniveausteigerung durch Geldmengenausweitung herum: "... Prozess anhaltender Preisniveausteigerungen, die über eine gewisse Marge hinausgehen. Inflation ist nur als dynamischer Vorgang denkbar, bei dem Inflation aus einem bestimmten Ursachenkomplex im ökonomischen System entsteht und wieder auf dieses zurückwirkt."

In Wikipedia zieht man ausgerechnet die EZB als Quelle heran. An anderer Stelle in Wikipedia heißt es dann wieder: "Volkswirtschaft, (...) Ausweitung der Geldmenge, welches unter anderem einen Anstieg des Preisniveaus verursacht."

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat offensichtlich noch die ursprüngliche und in bis in 50er Jahre gängige Definition: "Inflation [lat.] I. bezeichnet eine wirtschaftliche Situation, in der ein Missverhältnis zwischen der volkswirtschaftlich vorhandenen Geldmenge (Überangebot) und dem Angebot an Waren und Dienstleistungen herrscht. Dies führt zur Steigerung des Preisniveaus und zur Senkung der Kaufkraft des Geldes."


Es gibt also keine eindeutige Definition und Deutungshoheit. Ich bin deshalb vom ursprünglichen Begriff ausgegangen. Nach meinen Recherchen (eindeutige Quellen habe ich dazu leider nicht) wurde in den 50er Jahren durch die Monetaristen der Begriff der Inflation mit dem der Teuerung gleichgesetzt und damit verwässert. Also die Ursache mit der Folge. Da die Folge aber unterschiedliche Ursachen haben kann, ist das nicht mehr trennscharf. Heute versteht man unter Inflation allgemein - und meiner Meinung nach fälschlicherweise und mit fatalen Folgen - die Art der Messung ihrer Folgen, nämlich die Abwertung des Geldes und die Steigerung der Preise. Dass dabei über den Warenkorb viele Preise gar nicht erfasst werden, die man in die Ermittlung für die Veränderung des allgemeinen Preisniveaus bräuchte, kommt erschwerend hinzu.


Wie dem auch sei: Wie das Geld in den volkswirtschaftlichen Kreislauf kommt, ist wohl jedem klar. Aber wie sieht es bei der Deflation aus? Wie kommt es wieder aus dem aktiven Kreislauf heraus? Durch Sparen?

Nix für ungut. Wenn ich Euch langweile, sagt es. smilie_24

Beitrag 13.06.2014, 14:43

Geldsammler
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Lustig: Aktive Deflationsbekämpfung.

Sie anderen Thread: https://forum.gold.de/australien-beschl ... t8345.html

Beitrag 13.06.2014, 18:30

slts
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Goldistan hat geschrieben: Das ist in einem Debattierclub oder Wettbewerb sicher gängig, in einer Forendiskussion...anstrengend.
Das kann ich bestätigen.
Aber dafür gibt es ja auch eine Ignoreliste.
smilie_07

Beitrag 14.06.2014, 07:17

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Ladon
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Ich "interpretier" das jetzt mal als eine Aufforderung meines "Amtes" zu walten ... ;-)

Also, Thema ist hier "Kommt jetzt die Deflation".
Wie auch immer man das fuer sich interpretieren mag, ich erlaube mir, die Frage fuer das Forum so zu deuten:
Kommt eine gesamtwirtschaftliche Entwicklung mit erheblichen und fuer die meisten negativen Folgen, die im Grossen und Ganzen mit Phaenomenen einher geht, die im allgemeinen als "deflationaer" bezeichnet werden?

Das ist ja wohl der Sinn der Frage - und nicht, ob der Begriff "Deflation" so oder so interpretiert werden koennte.

@ Geldsammler
Hinterfragst Du die "Oesterreicher" und speziell Mises eigentlich auch? Ein sicher grosser VWLer ... aber Anfang der 1970er gestorben. Koennte schon sein, dass in seinem Theorie-Gebaeude die letzten 40-50 Jahre Entwicklung fehlen? Wie ich oben schon sagte: In der Grundlagenphysik benutzt niemand die "Wahrheiten" von vor 50 oder 100 Jahren.
Aber andauernd werden bei solchen Themen "Loesungen" oder "Wege" angeboten, die (zum Beispiel) 1914 oder (auf der anderen Seite) 1929 sinnvoll gewesen waeren.
Das wirkt dann auf andere eben nicht wie das Beleuchten der Dinge von anderer Seite, sondern wie das Vertreten einer "Ideologie".

Damit kann man es dann wohl "gut sein" lassen und zum Thema, in der oben umrissenen Bedeutung, zurueck kehren.
Höflichkeit ist keine Schwäche - Empathie ist keine Dummheit - Moral ist nicht moralinsauer

Beitrag 14.06.2014, 19:03

Geldsammler
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Deflation? Inflation? Kommt darauf an, wie man misst ( mal unabhängig von der Definition)

Ganz interessanter Bericht, auch wenn man Müller und Otte für zu banal hält.


http://www.focus.de/finanzen/news/preis ... 41718.html

Beitrag 14.06.2014, 19:48

donnyflame
Der Focus hat leider nicht viel mit Qualitätsjournalismus zu tun.

Ich denke wir können uns alle darauf einigen dass die Warenkörbe für die Berechnung des Preisanstiegs eben nur Muster-Otto-Normal-Warenkörbe sind. Da wir nicht alle Otto-Normal sind liegt es doch auf der Hand das diese Warenkörbe für uns erstmal relativ unpraktikabel sind.

Es liegt auch auf der Hand das die EZB oder wer auch immer diese Statistiken berechnen lässt nicht die Preissteigerung von jedem Bürger persönlich berechen kann und zur Grundlagen nehmen kann für politische Entscheidungen.

Wir wissen auch das überall Intressen sind und es überall irgendwie zu Intressenkonflikten kommt. Wir sind keine Maschinen, wir sind keine Vorzeige Ghandis.

Ich schätze auch das allen bewusst ist, dass wir in einer Welt voller Schulden leben. Ob es der Staats ist in dem wir leben, der private Immobilienkredit oder die Firma bei der wir arbeiten die verschuldet ist.

In so einer Welt ist Deflation gift. Das heißt man wird alles unternehmen um Deflation zu verhindern. In wie weit man eine "akzeptable Inflationsrate" hinbekommt und halten kann darüber lässt sich schwer diskutieren. Genauso wie die berechtigte Angst das die Inflation überhand nimmt.

Die Geldmengenausweitung an sich ist theoretisch kein Indiz darüber das mehr Geld im Umlauf ist oder im Umlauf sein wird. Praktisch sieht das Ganze auch wieder anders aus, weil man sich Geld was als Zahl in einem Computer steht ohne "nutzen" oder "Umlaufgeschwindigkeit" nur schwer vorstellen kann.

Wenn man seine persönliche Preissteigerung messen will, dann kann man das beliebig oft und vollkommen frei jederzeit tun. Es gibt genügend gute Seiten dafür. Da kommt nicht der Herr Draghi um die Ecke und führt dich ab ;)

Wenn jemand nur von Golfautos lebt, dann kann seine persönliche Preissteigerung unterschiedlich sein von dem der 90% seines Geldes für Elektronik ausgibt.

Grüße
DF

Beitrag 14.06.2014, 20:11

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AuCluster
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donnyflame hat geschrieben:Der Focus hat leider nicht viel mit Qualitätsjournalismus zu tun.
Wohl war. Wenn dieses Magazin folgendes schreibt:

"1974 kostete ein VW Golf zum Start des Wolfsburger Erfolgsmodells in der Basisausstattung genau 7995 D-Mark. Das entspricht 4088 Euro. Heute kostet der Basis-Golf mit 16 975 Euro mehr als viermal so viel. Dass der Golf eine bessere Ausstattung hat (was das Statistische Bundesamt bei seiner Berechnung inflationsmildernd berücksichtigt), nützt dem Verbraucher nichts. Er muss trotzdem mehr bezahlen."

ohne die Lohnentwicklung in den letzten 40 Jahren zu berücksichtigen,

[img]https://forum.gold.de/userpix/4672_info ... lter_1.jpg[/img]

geht wohl davon aus, dass die Menschen ihr Geld 40 Jahre lang unter dem Kopfkissen horten. smilie_18
Within our mandate, the ECB is ready to do whatever it takes to preserve the euro. And believe me, it will be enough.

Beitrag 14.06.2014, 21:13

Geldsammler
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Sorry, Au-Custer: in Deinem Chart stehen Brutto-Verdienste und nicht verfügbares Netto- Enkommen. Äpfel und Brinen, der Unterschied ist soweit bekannt?

Und: der Artikrl macht die Qualität, nicht der der Magazintitel. Ich finde Geldmenge minus Volkswirtschaftsoutput ist grundsätzlich eine gute Messgröße. Wobe die Geldmenge natürlich braucht, bis sie sich auf die Produktion auswirkt oder nicht. Insgesamt sieht man aber, dass das Gelddrucken heute nichts mehr bringt außer einer immer größer werdenen Differenz der beiden Kennzahlen.

Beitrag 19.06.2014, 12:25

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Goldistan
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Hans Werner Sinn:
Die Euro-Zone ist nicht in einer Deflation.[...]Die Angst vor einem Preisverfall wird von der EZB instrumentalisiert, um den Banken noch mehr Geld der Steuerzahler zuschanzen zu können.
http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-06/i ... r-sinn-ezb

Vielleicht glauben ihm ja mehr, als mir. :roll:

Beitrag 19.06.2014, 14:54

Geldsammler
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Nicht nur Geld für die Banken: auch Macht (für fortgesetzte Erpressungen a la "systemrelevant"?) und wenn es zum Crash kommt den schwarzen Peter.
smilie_08

Beitrag 29.07.2014, 14:22

donnyflame
Ich habe mir in letzter Zeit nochmal Gedanken um das Thema "Deflation" gemacht und musste entsetzt festellen, dass wir vorallem in Europa eher auf eine Deflation als eine Inflation zusteuern.

Folgende Punkte machen mir hierbei besonders sorgen:

Austerität als Brandbeschleuniger:

In Europa, vorallem auf Druck Deutschlands, werden die PIIGS-Ländern zu enormen Reformen gezwungen. Sie sind mit Sicherheit notwendig, aber meiner Meinung nach führen diese Reformen nicht zu einer besserung der Lage , sondern verschärfen die Probleme noch mehr. Im Moment halten sich die Reformbemühungen in Grenzen.

Auswirkungen:

Reduzierung öffentlicher Stellen, Kündigungen öffentlicher Stellen -> Arbeitslosigkeit
Arbeitslosigkeit -> Kosumverzicht, enormer Druck auf Löhne bestehender Arbeitsplätze und neuer Stellen
Kosumverzicht -> Preisdruck, Stellenabbau, Rücknahme geplanter Investitionen
Schuldenabbau -> Siehe erster Punkt, Mangel an Investitionen im öffentlichen Sektor usw.


Gehälter und Löhne:

Ein zentraler Punkt in der Diskussion um Inflation oder Deflation spielen die Löhne und die generelle Lohnentwicklung. Mit entsetzen musste ich mir gestern anhören das die deutsche Post ihren neuen Mitarbeitern weniger Gehalt zahlen will, weil sie in der Branche "viel zu hohe Löhne zahlen".

Generell sieht die Lage in Europa bitter aus. Hohe Arbeitslosigkeit und vorallem hohe Jugendarbeitslosigkeit sind kein perfektes Umfeld um Lohnsteigerungen auszuhandeln. Das gilt sowohl für den Niedriglohnsektor als auch für Akademiker. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit auch von Akademikern übt enormen Druck auf die Löhne in ganz Europa aus.

Ein weiteres beliebtes Thema um sich gegen Lohnsteigerungen auszusprechen ist die Globalisierung. Angeblich muss man sich nicht mit den "faulen Griechen" messen, sondern mit den "fleißigen Asiaten" die von der Hand in den Mund leben.

In so einem Umfeld ist es eine Herausforderung Lohnsteigerungen zu verhandeln.

Diese sind aber un­ab­ding­bar, wenn es darum geht eine akzeptable Inflationsrate in Europa zu erreichen die unbedingt notwendig ist um die Schuldenberge der Nationen tragen zu können.

Es geht hier bei den Löhnen ganz allein um die Inflation, es geht nicht um Gehaltserhöhungen um sich einen weiteren Urlaub leisten zu können.

Wenn es nicht gelingt dieses wichtige Problem zu lösen, dann wird Europa nicht um eine Deflationsspirale herumkommen. Die EZB kann in diesem Fall undendlich viel Geld drucken, solange das Geld nicht gleichmäßig in der breiten Bevolkerung ankommt und wirklich zur Geldentwertung und somit Schuldenentwertung beiträgt, wird die gewünschte Inflation nie erreicht werden, so sehr sie benötig wird.

Dabei ist die beschlossene Schuldenbremse der Bundesregierung ein weiteres Fass Benzin für das Deflationsfeuer was so langsam vor sich hin brennt.

Zudem steigert man mit jeder Intervention in den Geldmarkt um Inflation zu erzeugen das Risiko einer unerwarteten und heftigen Inflation. Die ebenfalls unerwünscht ist.

Grüße
DF


**Inflation und Deflation: In diesem Zusammenhang geht es nicht um die Geldmenge die theoretisch in irgendwelchen Büchern vorhanden ist usw. , sondern um das Preis- und Lohnlevel in einer Volkswirtschaft und um die Kaufkraft.

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