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Stand: 03.09.2020 von Hannes Zipfel
Erst am Montag hob die Bundesregierung ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr an und zeigte sich in Person von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zuversichtlich, dass die deutsche Wirtschaft ihre Pandemie-Talsohle bereits durchschritten habe.
Rumms statt Wumms?

Schaut man sich gleichwohl aktuelle Wirtschaftsdaten und Aussagen aus Unternehmen und Banken an, könnte der Zweckoptimismus der Regierung verfrüht sein.

Umsatzsteuersenkung verpufft im Einzelhandel

Der Kern des Anfang Juni von der Großen Koalition vorgestellten Konjunkturpakets mit insgesamt 57 Einzelmaßnahmen ist die bis Jahresultimo befristete Senkung der Umsatzsteuer - umgangssprachlich auch „Mehrwertsteuer“ genannt.

Zum 1. Juli wurde der reguläre Satz von 19 auf 16 und der ermäßigte Satz von sieben auf fünf Prozent herabgesetzt. Bundesfinanzminister und Kanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD) verstieg sich bei der Vorstellung des Konjunkturpakets sogar zu der Aussage:

"Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen".

An diesem Montag hob dann die Bundesregierung ihre Konjunkturprognose für die deutsche Wirtschaft an und erwartet statt einer Schrumpfung von 6,3 Prozent in diesem Jahr „nur noch“ ein Minus von 5,8 Prozent.

Dies wäre dennoch der bislang dramatischste Wirtschaftseinbruch in der bundesdeutschen Nachkriegszeit. Wirtschaftsminister Peter Altmaier sagte bei der Vorstellung der Interimsprojektion für das deutsche BIP für 2020:

„Der Aufschwung nach dem Lockdown im Frühjahr geht schneller und dynamischer voran, als wir das im Frühjahr zu hoffen gewagt hatten“.

Umso stärker rückten daher die Daten zum deutschen Einzelhandel für den Monat Juli in den Fokus, die am Dienstag vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden (DESTATIS) veröffentlicht wurden. Mit einem Minus von 0,3 Prozent nominal und 0,9 Prozent preisbereinigt gegenüber dem Vormonat Juni ist von „Wumms“ zumindest im Einzelhandel noch nichts zu spüren.

Auch gegenüber dem Vorjahresmonat hat sich die Erholungsdynamik im Juli wieder abgeschwächt. Nach einem Einbruch von 6,5 Prozent im April dieses Jahres lag das Plus gegenüber dem Vorjahresmonat im Mai bei 3,8 und im Juni sogar bei 5,9 Prozent. Im Juli schwächte sich dieser Wert trotz reduzierter Umsatzsteuer auf 4,2 Prozent ab.

Für einen echten „Wumms“, auch aus psychologischer Sicht, hätte möglicherweise die komplette befristete Erlassung dieser Steuer gesorgt. Stattdessen philosophiert SPD-Kanzlerkandidat und Finanzminister Olaf Scholz schon über zukünftige Steuererhöhungen, um die Kosten der Pandemie haushaltspolitisch gegenzufinanzieren.

Auch aus den Kommunen mehren sich die Stimmen der Politiker, die höhere Steuern und Abgaben fordern, was den stimulierenden Effekt der befristeten Umsatzsteursenkung ebenfalls schmälert.

Banken und Bafin warnen vor dem „Dicken Ende“

Entgegengesetzt zu der politischen Rhetorik aus Berlin äußern sich in dieser Woche große deutsche Unternehmen und sogar der Chef der Bankenaufsicht Bafin. So erklärte der Automobilzulieferer Continental am Dienstagnachmittag, dass im Zuge des von Konzernchef Elmar Degenhart bereits vorgestellten Sparprogramms in Deutschland statt 7.000 Stellen nun 13.000 Stellen zur Disposition stehen.

Weltweit will Continental seine Belegschaft um 30.000 statt zuvor 20.000 Stellen kürzen. Aktuell beschäftigt das Unternehmen knapp eine Viertelmillion Menschen in 60 Ländern.

Am Mittwoch äußerte sich der Chef der Deutschen Bank, Christian Sewing anlässlich des vom Handelsblatt ausgetragenen Bankengipfels auch eher pessimistisch. Sewing fürchtet laut Handelsblatt, dass die Wirtschaftskrise die globale Konjunktur noch lange belasten und auch für seine Branche gravierende Folgen nach sich ziehen wird.

Neben den sich verschlechternden Finanzierungsbedingungen in Folge steigender Kreditrisiken für die Institute sieht Sewing die Pandemie als anhaltende weltwirtschaftliche Belastung. 

Dem pflichtete der oberste deutsche Bankenaufseher Felix Hufeld (Bafin) auf der Bankenkonferenz bei. Demnach stünden laut Hufeld die eigentlichen Kreditausfälle für die Banken und damit „das dicke Ende“ erst noch bevor.

Fazit

Abgesehen von den Langfristfolgen der Corona-Krise für die deutsche Wirtschaft, v. a. die explodierenden Schulden sowie die damit einhergehende Zombifizierung der Unternehmen, bleibt das Risiko einer Pleitewelle im Herbst nach wie vor groß.

Dafür spricht auch die Befristung vieler Maßnahmen zum Schutz betroffener Unternehmen, Selbstständiger und Freiberufler. 

Auch die aktuell in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern relativ moderate Arbeitslosenrate von 6,4 Prozent, die von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erst am Dienstag wieder positiv hervorgehoben wurde, täuscht über die tatsächliche Lage am deutschen Arbeitsmarkt hinweg:

Laut ifo Institut für Wirtschaftsforschung befinden sich gemäß einer Meldung vom Dienstag dieser Woche nach wie vor 37 Prozent aller bei deutschen Unternehmen Beschäftigten in Kurzarbeit.

In Zahlen bedeutet dies aktuell knapp 40.000 betroffene Unternehmen nach 14.156 im Jahr 2019 und 5,36 Millionen Betroffene Arbeitnehmer. Davon allein 2,1 Millionen im verarbeitenden Gewerbe, 1,8 Millionen bei den Dienstleistern und 600.000 im Handel.

Selbst zu Hochzeiten der Finanzkrise überstieg dieser Wert in keinem Jahr die Marke von 1,6 Millionen Kurzarbeitern.

Da auch diese Menschen mit ähnlichen Einkommenseinbußen wie die insgesamt 2,96 Millionen offiziell Arbeitslosen hierzulande konfrontiert sind und das Kurzarbeitergeld ebenfalls eine Transferleistung der Bundesagentur für Arbeit darstellt, ist auch die Situation am deutschen Arbeitsmarkt deutlich nüchterner zu betrachten, als die Regierung dies aktuell kommuniziert.

Bereits jetzt zu hohe Erwartungen bezüglich eines dynamischen Aufschwungs in der Bevölkerung zu wecken, könnte sich daher als politischer Bumerang erweisen. Rein statistisch befindet sich die deutsche Wirtschaft jedenfalls noch mitten im Rumms und ist weit entfernt von einem Wumms.

Autor: Hannes Zipfel
Ökonom
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von Goldsammler | 05.09.2020, 19:34 Uhr Antworten

Schön mal wieder was von ihnen in der üblichen TOP-Qualität zu lesen. Freue mich über ihren nächsten interessanten Beitrag. Vielen Dank

von Commander C | 04.09.2020, 15:58 Uhr Antworten

Vielleicht sollte man der Situation dankbar sein, da mit ihr am Ende klar Schiff gemacht wird (wobei das Schiff seit 2008 in der Werft liegt). Zunächst übernimmt die EZB die Werftleitung. Später vermutlich Weiterverkauf zum Schleuderpreis. Der Soli ist tot - lang lebe der Soli.

von Herbert Drage | 04.09.2020, 08:52 Uhr Antworten

Wie immer eine gut herausgearbeite Analyse, die der grünsozialistischen Propaganda das einzige entgegensetzt, was diesen Herrschaften die Grenzen ihrer ideologischen Tagträume aufzeigt: Fakten und Zahlen und Argumente von Fachleuten, die sich - anders als Rechtsanwalt!!! Scholz, in Finanz-und Wirtschaftsfragen auskennen. Danke Hannes Zipfel für den Mut zur Wahrheit - übrigens Dank auch für Ihre qualitativ hochwertigen Videos auf YT.

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