Gold: 2.186,55 € 0,00 %
Silber: 25,45 € 0,00 %
Stand: 28.07.2023 von Hannes Zipfel
Sowohl der Goldpreis als auch die Notierungen für Silber, Palladium und Platin sind in US-Dollar nach den Zinsanhebungen sowie der ersten Veröffentlichung der Zahlen zum US-Bruttoinlandsprodukt (BIP) deutlich gefallen. In Euro verliefen die Kursrückgänge wegen der Dollar-Stärke moderater.
Edelmetalle: Einstiegschance nach Zinsanhebungen & US-BIP-Daten?

US-Wachstum nur dank Defizitexplosion

Der Goldpreis, aber auch die Preise für die anderen Edelmetalle gaben in Reaktion auf Aussagen des US-Notenbankchefs Jerome Powell, es werde trotz Zinsschocks und Rekordverschuldung keine Rezession in den USA geben, in US-Dollar deutlich ab, während gleichzeitig der US-Leitzins angehoben wurde (+0,25 Prozentpunkte auf 5,25 - 5,5 Prozent p. a.) und auch die Kapitalmarktzinsen am Donnerstag auf knapp 4,0 Prozent p. a. emporschnellten.

In der Folge konnte der US-Dollar, der deutlich attraktiver verzinst ist als z. B. der Euro (Leitzins der EZB liegt seit gestern bei 4,25 Prozent) signifikant aufwerten.

Daher fielen die Preisrückgänge der Edelmetalle in Euro deutlich moderater aus.

Verstärkt wurde der Edelmetall-Abverkauf durch die besser als erwarteten, erfahrungsgemäß gleichwohl stark revisionsanfälligen ersten Daten zum US-Bruttoinlandsprodukt (BIP) für das 2. Quartal 2023.

Damit wurde das Narrativ erzeugt, die US-Wirtschaft könne trotz Rekordverschuldung und Zinsschock ohne ein Abgleiten in die Rezession, also anders als in Europa, die Inflationsbekämpfung meistern und Gold sowie Silber seien als "Sichere Häfen" überflüssig.

Goldpreis vs. Silberpreis in US-Dollar pro Unze

Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn ein Blick auf die Entwicklung des Staatsdefizits der USA offenbart, dass es ohne nun jetzt deutlich teurere Schuldensause überhaupt gar kein Wachstum in den USA gegeben hätte – das ist der Unterschied zu Europa, wo die Defizitausgaben nicht ganz so hemmungslos erfolgen und wir daher diesseits des Atlantiks bereits rezessive Tendenzen spüren.

Allein das Staatsdefizit der USA liegt in diesem Fiskaljahr trotz zuletzt massiver Zurückhaltung bei der Staatsverschuldung wegen des Streits um die Schuldenobergrenze bei 5,4 Prozent des gesamten US-BIPs eines Jahres.

Die am Donnerstag veröffentlichten BIP-Daten zeigen aber ein annualisiertes Wachstum von lediglich 2,4 Prozent (erwartet wurden 1,8 Prozent | Q1’23: 2,0 Prozent). Annualisiert bedeutet, dass die Wachstumsrate gegenüber dem Vorquartal (Q1 zu Q2) mit 4 multipliziert wird.

US-Defizit

Die Defizit-Ausgaben stützen also massiv die US-Wirtschaft, was bei einer Gesamtverschuldung der öffentlichen Hand (Regierung, Bundesstaaten und Kommunen) von 135 Prozent des BIP nicht nachhaltig ist.

Die Gesamtverschuldung (private und öffentliche Haushalte) ist seit Jahresbeginn von 96,5 Billionen US-Dollar auf aktuell 101,5 Billionen US-Dollar bzw. um 5 Billionen US-Dollar oder 19,8 Prozent des BIP angestiegen (Quelle: U. S. Federal Reserve).

Dass heißt, dass bezogen auf die Gesamtverschuldung für jeden US-Dollar Wachstum 16 US-Dollar neue und jetzt sehr teure Schulden aufgenommen werden mussten, um dieses relativ überschaubare Wachstumsergebnis zu erzielen.

Veräderungsrate US-Bip

Doch Präsident Joe Biden möchte die US-Wirtschaft (entgegen unzähligen anderslautenden Konjunktur-Indikatoren) koste es, was es wolle, in gutem Licht präsentieren.

Der Schwerpunkt seines Wahlkampfes liegt nämlich auf den "erfolgreichen" „Bidenomics“. Doch die Schuldensause wird sich nicht bis November 2024 durchhalten lassen, erst recht nicht auf diesem Zinsniveau, ohne dass es wegen fauler Kredite, Stress im Bankensystem (der weiterhin schwelt) und am Finanzmarkt gibt.

In der Realwirtschaft würde schon ein mäßiger Rückgang der Neuverschuldung zu einer Schrumpfung der Wirtschaft führen.

Der Goldmarkt riecht den Braten

Zwar sind der Goldpreis und andere Edelmetalle, wie Silber, zunächst deutlich abgerutscht, erholen sich aber bereits wieder etwas von den am Donnerstag erreichten Tagestiefstständen. Gleichwohl kann es nach diesen US-BIP-Daten bis zu entgegengesetzten Daten zu weiteren Kursrückgängen kommen.

Besonders interessant ist der Vergleich zwischen dem Spot-Preis für Gold in US-Dollar (sofort verfügbares Material) und dem Preis des am nächsten liegenden Gold-Future Kontraktes in US-Dollar „GC1“ (CME Globex Symbol für Gold-Future: „GC“).

Der Markt befindet sich in einem ausgeprägten sogenannten Contango, der sich in den letzten Stunden massiv verstärkt hat (siehe Grafik blaue Linie), bei dem die für die Zukunft gehandelten Goldpreise deutlich höher liegen als die für sofort verfügbares Material.

Dies weist auf ungewöhnliche Marktteilnehmer hin, die Gold verkauften (physisch, am Terminmarkt oder via ETFs), nicht um den besten Preis zu erzielen, sondern um den Preis zu drücken.

Gold-Spot-Preis vs. Gold-Future-Preis

Perspektivisch orientieren sich die Goldhändler offenbar ebenso wie die Anleihehändler an dem unhaltbaren Verhältnis zwischen Überschuldung und Zinsexplosion. Die US-Leitzinsen liegen aktuell auf dem Stand von 2001 - also von vor 22 Jahren.

Damals war die Gesamtverschuldung nur ein Drittel so hoch wie heute und es kam dennoch zu einer Rezession.

USA Gesamtschulden vs. eff. Leitzins vs. US-Bip

Fazit und Ausblick:

Das jüngste US-BIP-Wunder, dass die Edelmetallpreise aktuell belastet, könnte jedes Dritte-Welt-Land erzeugen, wenn es denn über das Privileg der Weltleitwährung verfügte und diese beliebig erzeugen und verleihen könnte.

Der zentralafrikanische Staat Niger ist gerade mit einer Staatsverschuldung von 68 Prozent trotz enormem Rohstoffreichtums dem Staatsbankrot nahe, und das bereits vor dem Militärputsch (Quelle: IWF).

In den USA liegt die Staatsverschuldung doppelt so hoch. 

Aber wie nachhaltig sind die neuen "Bidenomics" in Anbetracht des Verhältnisses von Schulden und Zinsniveau zum Wachstum?

Weder der Anleihemarkt noch der Goldmarkt glauben an das von Jerome Powell beschworene Szenario, dass die signifikant gestiegenen Zinsen in Einheit mit der Schuldenexplosion keine Rezession zur Folge haben werden.

Es wäre nicht das erste Mal, dass sich ein Geldpolitiker irrt.

Es war übrigens genau dieser Jerome Powell, der bis Herbst 2021 jede Gefahr einer Inflation leugnete, als diese schon die Marke von 5 Prozent passiert hatte.

Anleger in Gold und Silber sollten sich daher nicht verunsichern lassen. Die harten Fakten jenseits zurechtgebogener staatlicher BIP-Statistiken (Thema „Net-Birth-Death-Model“ etc.) machen die "Sicheren Häfen" Gold und Silber nicht überflüssig – im Gegenteil spitzt sich die Lage siehe letzte Grafik makroökonomisch immer weiter zu.

Autor: Hannes Zipfel
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