Gold: 2.167,17 € 0,11 %
Silber: 25,52 € 0,51 %
Stand: 13.03.2023 von Hannes Zipfel
Dachte man letzte Woche noch, die US-Arbeitsmarktzahlen wären das für die Edelmetallpreise kursrelevante Highlight, schockierte die größte Bankenpleite seit der Finanzkrise 2008 die Anleger. Noch am Wochenende beschlossen die US-Notenbank und das US-Finanzministeriums Notfallmaßnahmen zur Stabilisierung des regionalen Bankensystems.
Erste Risse im Finanzsystem – was nun EZB und Fed?

Umso spannender wird die Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank in dieser Woche. Denn die kleineren US-Banken haben die gleichen Probleme wie ihre Pendants im Euroraum.

Neben der Regionalbankenkrise in den USA sind folgende Termine für Gold & Co. in der KW 11 wichtig:

  • Montag: 17:30 Uhr MEZ - geschlossene außerordentliche Sitzung des höchsten Gremiums der US-Notenbank (Fed Board of Governors) wegen der Pleite der Silicon Valley Bank (SVB), 14:00 Uhr MEZ - Ansprache von US-Präsident Biden u. a. zur Bankenkrise
  • Dienstag: 13:30 Uhr - MEZ US-Verbraucherpreise Feb. ggü. Vorjahresmonat (e: +6,0 % | Jan.: +6,4 %),
  • Mittwoch: 13:30 Uhr MEZ - US Empire State Herstellungsindex für März (e: -8 | -5,8), 15:00 Uhr MEZ - NAHB Immobilienmarkt-Index für März in Punkten (e: 41 | Feb.: 42)
  • Donnerstag: 14:15 Uhr - Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), 16:15 Uhr Pressekonferenz mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde
  • Freitag: 15:00 Uhr MEZ - ökonomische Frühindikatoren USA für Februar in Punkten (e: -0,3 | Jan. -0,3), nach wie verzögerte Veröffentlichung der aggregierten COT-Daten der US-Aufsichtsbehörde CFTC für die Gold- und Silber-Terminmärkte (COMEX) in den USA ab 21:30 Uhr MEZ (wegen Cyber-Attacke vom 24. Januar 2023).

Angst vor Bank-Run bei US-Regionalbanken

Die Möglichkeit, dass in einer auf überproportionalem Schuldenwachstum basierenden Volkswirtschaft im Zuge aggressiver Zinssteigerungen und Liquiditätsverknappung ab einem bestimmten (aber schwer vorhersehbaren) Zeitpunkt eine Krise ausbricht, war sehr wahrscheinlich.

FED im Dilemma

Meist kommt eine derartige Krise aus einer Ecke, die die Verantwortlichen (in diesem Fall die Geldpolitiker der US-Notenbank Fed) nicht auf ihren Radarschirmen haben.

Erst Ende November 2022 hatten sich bei der Krypto-Bank FTX 60 Mrd. US-Dollar in Luft aufgelöst.

Da in diesem Fall betrügerische Absichten unterstellt wurden, fühlten sich die Finanzmärkte nicht tangiert. Doch im Falle der nun bankrott gegangenen Silicon Valley Bank (SVB Financial Group mit weltweiten Niederlassungen) handelt es sich um eine systemrelevante Bank, die zwar ein spezielles Geschäftsmodell verfolgte (30.000 Start-up-Finanzierungen weltweit) aber wegen der Ursachen der Pleite großes Ansteckungspotenzial für Regionalbanken mit ebenso geringer Eigenkapitalausstattung besteht.

Denn der Hauptgrund für diese Bankenpleite war die Entwertung der eigenen Vermögenswerte (Anleihen, Aktien) durch steigende Zinsen und hohe Abschreibungen bei gewährten Darlehen an viele unrentable Start-ups, für die stark steigende Zinsen pures Gift sind, da sie auf regelmäßige Finanzierungsrunden angewiesen sind, die "normale" Geschäftsbanken nicht gewähren.

Viele dieser unrentablen Start-ups können die auf die jetzigen Höhen gestiegenen Zinsen aus ihren Cash-Flows nicht mehr bedienen. Das und der massive Abzug von Kundengeldern wurden der SVB zum Verhängnis.

Nach einer gescheiterten Kapitalerhöhung war das Schicksal der Bank dann am Freitag besiegelt.

Das Gleiche Problem wie für die Start-ups existiert in ähnlicher Form auch für kleine und mittelgroße Unternehmen, deren Geschäftsmodelle mit rasant steigenden Zinsen und höheren Kreditanforderungen nicht aufrecht zu erhalten sind. Kredite können in der Folge nicht mehr bedient werden.

Wird daraus ein Massenphänomen, ist eine Bankenkrise je nach Kapitalausstattung der Institute schnell Realität.

Ein altes Banker-Sprichwort besagt:

„Bei 10.000 Dollar Schulden hat der Schuldner ein Problem – bei einer Milliarde Dollar Schulden hat die Bank ein Problem“

Man könnte ergänzen: bei 100 Mrd. US-Dollar Schulden hat das Bankensystem ein Problem.

Fast 90 Prozent (89 %) der Kundeneinlagen bei der SVB in Höhe von 175 Milliarden US-Dollar waren laut US-Bankenaufsichtsbehörde FDIC Ende 2022 nicht versichert (der Rest war via Einlagensicherung abgesichert).

Es drohte Anfang dieser Woche ein Überschwappen der Bankenkrise auf Regionalinstitute im ganzen Land und sogenannte „Bank-Runs“, also das massenhafte Abziehen von Kundeneinlagen.

Bereits am Freitag hatten sich die Börsenkurse anderer US-Regionalbanken teilweise mehr als halbiert.

Offenbar war die Not so groß, dass die US-Bankenaufsicht, das Finanzministerium und die US-Notenbank noch am Wochenende Sondermaßnahmen (einen Banken-Bailout) beschlossen und den betroffenen Instituten und deren Kunden sowohl sämtliche Einlagen komplett absicherten als auch die Vermögenswerte der Banken höher Bewerteten, als diese am Markt tatsächlich wert sind (teilweise durch Wertpapiertausch).

Das Geld dafür stellt die Fed zur Verfügung (Liquiditätsschwemme).

Auch wenn durch diesen Taschenspielertrick ein Bank-Run und eine Kettenreaktion wahrscheinlich kurzfristig vermeidbar ist, ändert dieser nichts an dem Grundproblem einer überschuldeten Volkswirtschaft, die für 1 US-Dollar Wirtschaftswachstum mittlerweile über 5 US-Dollar Kreditwachstum benötigt. Und das bei seit einem Jahr sinkendem Kreditangebot und massiv steigenden Kreditkosten (Zinsen).

Folgen für die weitere Geldpolitik

Da es neben dem regionalen US-Bankensystem auch noch andere Bereiche gibt, die unter der Zinslast und dem Liquiditätsentzug zu kollabieren drohen, stellt sich immer drängender die Frage, ob die wichtigste Notenbank der Welt, die US Fed, es tatsächlich wieder auf die Auslösung einer globalen Finanzkrise analog 2008 anlegt? Denn von der restriktiven Geldpolitik sind auch folgende Märkte akut betroffen:

  • Größtenteils variabel verzinste US-Gewerbeimmobilien
  • Private Immobilien
  • Kreditkartenschulden
  • Autokredite
  • Konsumkredite
  • Schuldentragfähigkeit (Staat, Unternehmen, Haushalte)

Im sogenannten „Subprime“-Bereich, der die Schuldner mit schlechter Bonität beschreibt, schießen die Kreditausfallraten für Automobile, Kreditkarten und Immobilien bereits in die Höhe. Auch 2008 war es die Subprime-Krise, die den Stein für die globale Krise ins Rollen brachte.

Es wird daher sehr spannend, wie die US-Notenbank auf ihrer nächsten regulären Zinssitzung am 22. März agieren wird. Die Wetten reichen mittlerweile von nur noch einer kleinen Zinserhöhung (+0,25 Prozentpunkte) bis hin zu einer Zinspause und sogar einer ersten Zinssenkung.

Alle drei Szenarien unterstützen aktuell die zinssensiblen Gold- und Silberpreise.

Goldpreis pro Feinunze in US-Dollar

Was macht die EZB am Donnerstag?

Mitten in den aktuellen Turbulenzen hält die Europäische Zentralbank (EZB) am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche ihre reguläre Zinssitzung ab. Wobei die Zinsanhebungen im Euroraum denen in den USA stark hinterherhinken (EZB-Leitzins = blaue Linie).

Zinsvergleich Eurozone vs. USA

Noch gravierender fällt der Unterschied bei der Reduzierung der Marktliquidität beider Notenbanken bei ähnlich stark aufgeblähten Bilanzen aus (in der Spitze jew. fast 9 Billionen Euro resp. USD):

  • Die EZB verringert ab März dieses Jahres ihre Bilanzsumme im Schnitt um 15 Mrd. Euro pro Monat
  • Die US-Notenbang verringert ihre Bilanzsumme bereits seit Juni 2022. Aktuell sogar um durchschnittlich 95 Mrd. US-Dollar (89 Mrd. Euro) pro Monat

Bislang war man davon ausgegangen, dass die EZB weitere vier Zinsschritte von jeweils zwischen 0,25 und 0,5 Prozentpunkten vornehmen wird.

Nach den Ereignissen der letzten Woche steht auch das weitere Vorgehen der EZB in Sachen Zinsanhebungen zur Inflationsbekämpfung in den Sternen.

Schon bislang war der EZB offensichtlich die Schuldentragfähigkeit der hoch verschuldeten Euromitgliedsstaaten Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland etc. wichtiger als ihr Kernmandat - die Preisstabilität.

Anders lässt sich ein realer Leitzins von aktuell -5,5 Prozent nicht erklären.

Inflation vs. EZB-Leitzins vs. realer Leitzins

Weitere wichtige Daten-Termine, Details und Prognosen und historischen Zeitreihen finden Sie hier.

Autor: Hannes Zipfel
Ökonom
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von Elsa beckström | 15.03.2023, 14:14 Uhr Antworten

Es kommt etwas schreckliches auf und zu

von Fabian | 14.03.2023, 11:40 Uhr Antworten

Endlich mal ein einigermaßen anständiger Artikel zum Thema!
Die Schuldentragfähigkeit der einzelnen Staaten basiert, sollte man vielleicht noch hinzufügen, auf der willkürlich festgelegten Zahl in den Maastrichter Verträgen. Damals haben die Entscheidungsträger nicht verstanden, dass es einen fundamentalen Unterschied zwischen Staatsverschuldung und Privatverschuldung gibt.
Damit es eine Währung überhaupt gibt, muss ihr Herausgeber sich ein Defizit in die Bilanz eintragen. Das nennt sich seriöse Buchführung. Auf diese Weise kann das Geld für die Menschen überhaupt erst verfügbar gemacht werden. Dieser Vorgang wird in einer Zentralbank abgewickelt.
Die Sparpolitik der letzten Jahre war keine Sparpolitik. Da wurden Investitionen ausgelassen. Aladin El-Mafaalani mag zwar "nur" Soziologieprofessor sein, aber er nannte das auslassen von Investitionen bei Markus Lanz in einer Sendung mal zutreffend nicht Sparen, sondern "Sparen für Dumme".

1 Antwort an Fabian anzeigen
von Peter Wittmann | 13.03.2023, 23:33 Uhr Antworten

Jede wundersame Geldvermehrung hat in der Geschichte noch immer ein böses Ende genommen.

2 Antworten an Peter Wittmann anzeigen

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