Gold: 2.172,81 € -0,53 %
Silber: 25,54 € 0,04 %
Stand: 23.06.2021 von Hannes Zipfel
Nach den kräftigen Kursrückgängen beim Goldpreis in den letzten Tagen lohnt ein Blick auf die aktuelle Verfassung des Marktes. Neben der fundamentalen Situation offenbaren sowohl die Charttechnik als auch die Stimmungslage ein konstruktives Bild für die weitere Entwicklung.
Goldpreis im Rückwärtsgang – eine Lageeinschätzung

Gründe für die Korrektur beim Goldpreis

Bereits am ersten Juni erreichte der Goldpreis den Hochpunkt der seit Ende März 2021 andauernden Aufwärtsbewegung. Die Gründe für die seit mittlerweile drei Wochen laufende und zuletzt beschleunigte Korrektur sind vielfältig.

Der Markt war kurzfristig schlicht überkauft.

Sowohl die Stimmungsindikatoren als auch die technischen Indikatoren zeigten dies klar an. Zudem gilt der Juni als drittschlechtester Monat für den Kursverlauf bei Gold. Für die Preisentwicklung bei Silber ist es sogar der schlechteste Monat im gesamten Jahr (im Durchschnitt der letzten 21 Jahre).

Der Auslöser für die beschleunigte Talfahrt der Edelmetallpreise seit Mitte Juni war das Statement der US-Notenbank (Fed) im Anschluss an die Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC) am 16. Dieses Monats. Allein an diesem Tag verlor der Goldpreis in der Spitze 60 US-Dollar pro Unze (31,103 Gramm).

Zur Überraschung vieler Marktteilnehmer sah sich die Fed in Anbetracht der zuletzt deutlich gestiegenen Konsumgüterpreise und weiter dynamisch steigender Preise für Vorleistungsgüter dazu genötigt, die Inflationsprognose für dieses Jahr von 2,4 Prozent auf 3,4 Prozent anzuheben und Zinserhöhungen für das Jahr 2023 in Höhe von 0,5 Prozent in Aussicht zu stellen.

Im Zuge dessen stiegen die Zinsen für kurzfristige Staatsanleihen deutlich an und der US-Dollar wertete spürbar auf.

In seiner turnusmäßigen Stellungnahme vor den Abgeordneten des US-Kongresses relativierte der Fed Chef Jerome Powell in dieser Woche gleichwohl die Zinsanhebungsprognose und verwies auf Unsicherheiten bezüglich der weiteren Konjunkturentwicklung. Dieser Hinweis ist nicht unbegründet, da ein Großteil der Corona-Hilfen in den nächsten Monaten ausläuft und das monatliche Einkommen v. a. vieler Transferleistungsempfänger deutlich sinken wird.

Dies wiederum belastet den für die US-Wirtschaft wichtigen Konsum.

Wie stellt sich die Lage nach dem Kursrückgang um 130 US-Dollar pro Unze seit Anfang Juni nun aktuell beim Goldpreis dar?

Blick auf die Charts

Bereits am 14. Juni, also zwei Tage vor der Pressekonferenz zum jüngsten Fed-Meeting (FOMC), durchbrach der Goldpreis in US-Dollar den seit Ende März etablierten Aufwärtstrend nach unten. Am 16. Juni folgte dann der Rutsch unter die 50- und 200-Tage gleitenden Durchschnittslinien (SMA 50 u. SMA 200).

Im Zuge der Korrekturbewegung wurden zudem diverse Horizontalunterstützungen und Fibonacci-Retracement-Level nach unten durchbrochen. Knapp unter dem 61,8 %-Level stabilisierte sich der Goldpreis und notiert aktuell bereits wieder darüber.

Diese Marke gilt als eine der bedeutenderen Fibonacci-Retracements.

Von der technischen Seite her zeigen die Oszillatoren RSI (Relative Stärke) und Stochastik eine deutlich überverkaufte Situation an, wobei der RSI zuletzt bereits wieder anstieg.

Positiv zu werten ist auch die Tatsache, dass sich im Goldpreischart aktuell ein sogenanntes „Goldenes Kreuz“ andeutet. Dabei schneidet der kurzfristigere gleitende Durchschnitt (50-Tageslinie) den längerfristigen gleitenden Durchschnitt (200-Tageslinie) von unten.

Goldpreis Chart in US-Dollar pro Unze

Im übergeordneten Chartbild könnte sich in den kommenden Wochen zudem eine Umkehrformation nach oben etablieren. Im unteren Chart ist anhand der letzten Tiefpunkte eine umgekehrte (inverse) Schulter-Kopf-Schulter-Formation (SKS) angedeutet.

Um diese sehr bullische Formation zu vollenden, muss der Goldpreis nun über die hängende Nackenlinie der Schulter-Formation bei ca. 1.900 US-Dollar pro Unze ansteigen. Anschließend wäre ein Pullback auf diese Linie normal und würde im weiteren Verlauf den Weg Richtung Allzeithöchststände im Herbst ebnen.

Goldpreis Chart in US-Dollar pro Unze: inverse SKS

Sollte wie vermutet die Konjunkturdynamik in den USA ausgehend vom Konsum wegen des Auslaufens der massiven Corona-Hilfen in den kommenden Monaten nachlassen, würde sich auch die Zinsfantasie für den US-Dollar zurückbilden. Der Dollar hatte zuletzt von der verbalen Kehrtwende der Fed in Sachen Zinspolitik profitiert.

Als natürlicher Gegenspieler zur Welt-Papier-Leitwährung leidet der Goldpreis i. d. R. unter Dollarstärke.

Der US-Dollar befindet sich in Relation zu den anderen Hauptwährungen (US-Dollar Index) gleichwohl weiterhin im Abwärtstrend, womit sich die jüngsten Kursavancen schnell als temporäres Phänomen herausstellen könnten.

Goldpreis Chart in US-Dollar pro Unze vs. US-Dollar-Index

Die Stimmungslage

Als bedeutende Kontraindikatoren für die kurzfristige Kursprognose dienen Stimmungsindikatoren wie der Optix von SentimenTrader. Anhand von Positionierungen der Marktteilnehmer am Terminmarkt sowie Meinungsumfragen wird der Optix für Gold berechnet.

Bei Werten jenseits der Marke von 75 Punkten liegt exzessiver Optimismus für weiter steigende Goldpreise vor und es ist zumindest kurzfristig Vorsicht angebracht.

Korrekturen, ausgelöst durch Gewinnmitnahmen, sind dann eher wahrscheinlich.

Nachdem der Gold Optix Ende Mai ein Niveau von 73 Punkten erreichte, hat sich die Stimmung zuletzt deutlich abgekühlt. Mit zuletzt nur noch 49 Punkten zeigt auch dieser Kontraindikator grünes Licht für die weitere Kursentwicklung an. Der Markt scheint durch die jüngsten Kursabschläge größtenteils bereinigt zu sein.

Goldpreis Chart in US-Dollar pro Unze vs. Gold Optix

Die Saisonalität

Wie alle Vermögenspreise unterliegt auch der Goldpreis saisonalen Schwankungen. Diese Preismuster resultieren aus Nachfragespitzen. Diese sind bedingt durch internationale Feiertage, zu denen Gold verschenkt wird, sowie durch die Urlaubssaison, in der die Umsätze an den Finanzmärkten deutlich zurückgehen.

Der Monat Juni ist der drittschlechteste Monat für die Goldpreisentwicklung und sogar der schlechteste Monat für den Silberpreis.

In den Folgemonaten geht es jedoch bis Oktober wieder aufwärts. Saisonale Muster sind zwar in ihrer Zuverlässigkeit nicht sehr belastbar, passen gleichwohl in das Gesamtbild eines sich in den kommenden Wochen wieder erholenden Goldpreises.

Durchschnitl. mtl. Preisveränderung in %

Der wichtige Realzins

Entscheidend für eine nachhaltige Änderung der Kursrichtung ist auch die Erkenntnis der Marktteilnehmer, dass die in Aussicht gestellte Zinswende in den USA faktisch nicht stattfindet. Ein Blick auf die für den Goldpreis entscheidenden Realzinsen zeigt nach wie vor ein klares Bild:

Die Nominalzinsen abzüglich der offiziellen Inflationsrate sind nach wie vor negativ. Dies ist generell ein positives Umfeld für das zinslose, aber inflationssensitive Edelmetall.

Gemessen anhand der Renditen für eine einjährige US-Staatsanleihe und der offiziellen Konsumentenpreisinflation (CPI) beträgt der Realzins in den USA historisch niedrige -4,9 Prozent. Diese Niveaus wurden zuletzt im Sommer 1980 erreicht.

us-Realzins 1-jähriger US Treasuries

Gemessen an den Renditen für zehnjährige US-Staatsanleihen in Höhe von aktuell 1,48 Prozent p. a. beträgt der Realzins in US-Dollar -3,51 Prozent. Eine über 36 Jahre laufende Analyse der Korrelation zwischen Realzinsniveau und Goldpreisentwicklung der Deutschen Bank zeigt zweistelliges Kurspotenzial pro Jahr bei dem aktuell anhaltend negativen Werten beim Realzins.

Damit dürfte die aktuelle Goldpreisperformance des Jahres 2021 in Höhe von -8,3 Prozent noch nicht der letzte Stand in Sachen Jahresrendite gewesen sein.

Realzins in % vs. Goldpreisentwicklung

Fazit und Ausblick

Nach dem deutlichen Preisrücksetzer sind viele Chartmarken unterboten worden. Dennoch stellt sich die technische Verfassung beim Goldpreis durch die nun erreichte „Überverkauftheit“ konstruktiv dar.

Sollte es gar gelingen, die inverse SKS zu vollenden, könnte es bis zum Jahresultimo zu starken Kursanstiegen beim Goldpreis kommen. Dies würde auch mit der faktischen Lage bei den Realzinsen, der Saisonalität sowie der Revision der Konjunktur- und Zinserwartungen korrespondieren.

Dass die Preise trotz auslaufender Fiskalstimuli dennoch weiter von Monat zu Monat ansteigen, bringt die US-Notenbank Fed in die Bredouille.

Bislang haben sich die Währungshüter gegen Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung entschieden und drucken (digital) weiterhin 120 Mrd. US-Dollar frisches Geld pro Monat. Der effektive Leitzins der Fed verharrt derweil bei 0,06 Prozent.

Als die Preisinflation zuletzt im Juni 2008 den heutigen Stand von knapp 5 Prozent (CPI) erreichte, lag der Leitzins noch bei 2 Prozent.

Doch seitdem ist die Gesamtverschuldung der USA von 54 Billionen US-Dollar auf aktuell 84,6 Billionen US-Dollar explodiert. Zudem haben sich erneut Blasen an den Finanzmärkten sowie am Immobilienmarkt gebildet. Um eine neue Weltfinanzkrise zu vermeiden, wird die Fed diese „Alles-Blase“ bei den Vermögenswerten dieses Mal wohl nicht anstechen, sondern stattdessen ihr Inflationsziel flexibler gestalten. Dazu hat sie ihre geldpolitischen Ziele bereits angepasst.

Der aktuelle Gegenwind für den Goldpreis, basierend auf der Illusion einer Zinsnormalisierung, dürfte schnell wieder abflauen und die Preise sich im weiteren Jahresverlauf wieder berappeln.

Autor: Hannes Zipfel
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