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Stand: 28.07.2022 von Hannes Zipfel
Wie erwartet hob die US-Notenbank (Fed) gestern den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte an. Doch das könnte es schon gewesen sein – zumindest mit den „großen“ Zinsschritten. Konjunktursorgen zwingen die Fed zu einem moderateren geldpolitischen Kurs.
Goldpreis reagiert positiv auf vorsichtigere US-Notenbank

Großer Zinsschritt und verbale Beruhigungspille namens „Neutrale Rate“

Der sogenannte Offenmarktausschuss (FOMC) der amerikanischen Notenbank Fed hat im Anschluss an seine zweitägige Sitzung vom 26. bis zum 27. Juli das Zielband für den US-Leitzins (Federal Funds Rate), wie von der überwiegenden Mehrheit der Marktteilnehmer erwartet, um 75 Basispunkte bzw. 0,75 Prozentpunkte angehoben. Das neue Zielband liegt nun bei 2,25 % bis 2,50 %. Die Entscheidung fiel einstimmig.

Damit befindet sich der effektive Leitzins in den USA auf dem höchsten Stand seit Juli 2019 (Effective Federal Funds Rate). Aber mit 2,33 % p. a. nach wie vor weit unterhalb der Konsumentenpreisinflation, die auf Jahresbasis 9,1 Prozent beträgt (rote Linie):

Us-Inflation vs. US-Leitzins

In der Pressemitteilung der US-Notenbank heißt es zu der Entscheidung:

„Die jüngsten Indikatoren für Ausgaben und Produktion haben sich abgeschwächt. Dennoch waren die Beschäftigungszuwächse in den letzten Monaten robust und die Arbeitslosenquote sehr niedrig. Die Inflation bleibt wegen der Angebots- und Nachfrageungleichgewichte hoch, was vor allem steigende Lebensmittel- und Energiepreise zur Folge hat. Es existiert weiterhin ein breit angelegter Preisdruck."

Die sich die abschwächende Konjunktur erwähnte die Fed ausdrücklich und mehrfach, sowohl in ihrem schriftlichen Statement als auch auf der anschließenden Pressekonferenz mit Fed-Chef Jerome Powell.

Heute Nachmittag um 14:30 MESZ wird die Veränderungsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der USA für das zweite Quartal 2022 veröffentlicht. Erwartet wird ein Wachstum knapp oberhalb der Nulllinie in Höhe +0,5 % (annualisiert).

Gegenüber dem Vorquartal (Q1 2022) soll die wirtschaftliche Expansion nur noch +0,1 % betragen.

Daher war es für die Finanzmärkte im Allgemeinen und für Gold im Speziellen wichtig, dass Jerome Powell drei Formulierungen tätigte, die ein Ende oder zumindest eine starke Verlangsamung der Straffungspolitik andeuteten:

  1. Der geldpolitische Straffungsprozess werde wegen sich abschwächender Konjunkturindikatoren verlangsamt.
  2. Zinsschritte in der Größenordnung von 0,75 Prozentpunkten wird es wohl nicht mehr geben.
  3. Die von der Fed angestrebte „neutrale Zinsrate“ (weder stimulierend noch bremsend) sei mit dem jüngsten Zinsschritt bereits erreicht.

Goldpreis in US-Dollar pro Unze

Der Goldpreis drehte daraufhin nach oben. Damit hielten vorerst die horizontalen Unterstützungslinien und die Notierungen konnten sich von dem 61,8er Fibinacci-Retracement-Level wieder deutlich nach oben absetzen.

Die Fed will nun stärker abhängig von den aktuellen Wirtschaftsdaten „auf Sicht fahren“ und auf verbindliche Aussagen zu zukünftigen Zinsanhebungen verzichten (keine Forward Guidance mehr).

Dennoch verursacht die Verteuerung von Krediten, und nichts anderes bedeuten Zinsanhebungen, bereits jetzt enormen Stress im Finanzsystem und bei Unternehmen und Haushalten.

Jeder Zinsschritt tut weh

Besonders teuer sind Kreditkartenschulden, die in den USA durch „echte Kreditkarten“ gewährt werden. In Europa sind hingegen Debit-Karten stark verbreitet, die keinen über Monate in Raten abzahlbaren Kreditrahmen gewähren. In den USA gibt es hingegen mehr als 530 Millionen Kreditkartenkonten mit insgesamt knapp 900 Milliarden US-Dollar Schulden.

Durchschnittlich sind diese aktuell mit 19 Prozent Jahreszins belastet.

Diese Schulden abzutragen, wird mit jedem Zinsschritt schwieriger. Zumal die Gesamtverschuldung der USA (Unternehmen, Banken, öffentliche und private Haushalte) bereits bei 91,7 Billionen US-Dollar liegt, was bereits jetzt jährlich Zinskosten in Höhe von 3,42 Billionen US-Dollar verursacht. Allein die Zinskosten machen somit knapp 15 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung aus.

Die Gesamtschuldenquote in Relation zum BIP liegt bei historisch hohen 416 Prozent.

Daher bleibt die Kombination aus Zinsanhebungen und Liquiditätsverknappung durch den Abbau der Bilanz der US-Notenbank ein Vabanquespiel.

Vor allem der Immobilienmarkt hat seit der letzten Finanzkrise und speziell ab der Corona-Krise stark von der extrem laxen Geldpolitik der Fed profitiert.

US-Immobilienpreise vs. Hypothenkenzinsen

Wenn jetzt die US-Notenbank keine Immobiliendarlehen mehr aufkauft und die Hypothekenzinsen stark ansteigen, dann besteht das Risiko, dass nicht nur Aktien, Anleihen, Kryptowährungen und Edelmetalle im Kurs fallen, sondern auch die Immobilienpreise.

Diese sind gleichwohl für den US-Konsum sehr wichtig, da es in den USA üblich ist, Konsumbedürfnisse durch Hypothekenaufstockungen im Rahmen der Wertsteigerungen der Immobilie zu decken.

Schon jetzt haben sich die monatlichen finanziellen Belastungen signifikant erhöht und das für den Konsum zur Verfügung stehende Einkommen drastisch reduziert:

Monatliche Hypothekenzahlung in den USA

Der Konsum trägt fast zwei Drittel zum US-BIP bei. Damit bleibt das Risiko eines kurzfristigen Crashs bei allen Vermögenspreisen im Zuge weiter anziehender Zinsen und verringerter Liquiditätszufuhr durch die US-Notenbank Fed sehr hoch.

Erst wenn die Fed vor den realwirtschaftlichen Folgen und möglichen drastischen Verwerfungen an den Finanzmärkten kapituliert und von dem aktuellen „Stop“-Modus wieder in den „Go“-Modus umschaltet, sind nachhaltig steigende Preise auch für Gold sehr realistisch.

Die Zeichen dafür, dass sich diese geldpolitische Kehrtwende schnell nähert, mehren sich mit nahezu jedem neu veröffentlichten Konjunkturindikator.

Autor: Hannes Zipfel
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