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Stand: 02.08.2021 von Hannes Zipfel
Das, was sich aktuell bei den einflussreichsten Notenbanken der Welt abspielt, erweckt den Anschein von beginnendem Kontrollverlust: Anstatt die anziehende Teuerung einzugrenzen, wird sie wider das Mandat der Geldpolitiker weiter befeuert. Für Gold und Silber ist diese Entwicklung sehr bedeutsam.
Die Geldpolitik agiert diametral entgegengesetzt zu ihrem Mandat

Zentralbanken heizen die selbst verursachte Inflation weiter an

In der Geschichte gibt es unzählige Beispiele dafür, dass die Geldpolitik unzureichend auf Inflationsentwicklungen reagierte oder sogar völlig die Kontrolle darüber verlor.

Die Folge war nicht selten der völlige Verfall der Kaufkraft offizieller Zahlungsmittel.

Das wichtigste Mandat der Geldpolitik ist offiziell die Wahrung der Geldwertstabilität. Daher werden Zentralbanker umgangssprachlich auch als "Währungshüter" bezeichnet. Der Wert von Euro, US-Dollar & Co. basiert heutzutage im Wesentlichen auf Vertrauen.

Einmal verloren gegangen, kann es nur schwer wieder hergestellt werden.

Dieses Risiko nehmen die verantwortlichen Akteure in den Zentralbanken aber in Kauf. Ökonomen, Finanzmarktakteure und geldpolitische Analysten nannten beispielsweise die Ausführungen des US-Zentralbankchefs Jerome Powell im Anschluss an die Zinssitzung am vergangenen Mittwoch eine widersprüchliche Farce.

Die Erholung der Wirtschaft und die Dynamik am Arbeitsmarkt wurden vom Fed-Chef gepriesen. Den Inflationsausblick passten die Fed nach oben an. Gleichzeitig begründete Powell die Fortsetzung der de facto Nullzinspolitik und der monatlichen Gelddruckorgie im Volumen von 120 Mrd. US-Dollar mit einer unzureichenden Entwicklung am Arbeitsmarkt. Obwohl hier die Löhne bereits spürbar steigen und Arbeitskräftemangel herrscht.

Die EZB-Präsidentin Lagarde sieht ihrerseits keinen Grund, in der absehbaren Zukunft auch nur über steigende Zinsen oder ein Ende der gigantischen Wertpapierkäufe nachzudenken – Inflation hin oder her.

Wie groß muss die Not bereits sein, dass Geldpolitiker von Tokio über Frankfurt und London bis hin nach Washington das weltweite Geldsystem und damit den Wohlstand und den sozialen Frieden aufs Spiel setzten, indem sie in die Inflation hinein massiv Geld drucken und die Negativzinsen auf historische Tiefststände treiben?

Offenbar ist die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft gegen Krisen und externe Schocks nahezu nicht mehr vorhanden. Ohne dauerhafte geldpolitische Notmaßnahmen ist die Stabilität des Finanzsystems und der gesamten Wirtschaft scheinbar in akuter Gefahr.

Wir haben die Aufrechterhaltung unseres relativen Wohlstands offensichtlich der digitalen Notenpress zu verdanken. Doch dieser Wohlstand wird nun durch die Preisinflation, die deutlich schneller steigt als die verfügbaren Einkommen, bedroht.

Damit gelangt unser Wirtschaftssystem an einen Punkt, an dem die Rettungs- und Stützungsmaßnahmen kontraproduktiv wirken. Vergleichbar einer Medizin, bei der die Nebenwirkungen den Nutzen zu überwiegen beginnen.

Inflation ist kein temporäres Phänomen

Anlässlich der jüngsten Sitzungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Notenbank (Fed) wurden die Geldpolitiker nicht müde zu betonen, dass die steigenden Preise ein vorübergehendes Phänomen seien.

Dieses Mantra tragen sie bereits seit Beginn dieses Jahres vor sich her. Bislang hat es sich nicht bewahrheitet. Und so rudern nun einige Notenbanker ganz vorsichtig zurück.

Die Inflation könne noch etwas länger weiter steigen, so der Tenor aus EZB und Fed.

Frühzeitig gewarnt vor deutlich höheren Inflationsraten hatte der deutsche Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der bereits im Mai darauf hinwies, dass die Preise noch weit bis in das kommende Jahr hinein ansteigen werden. Wobei die offizielle Inflationsrate deutlich über das Inflationsziel der EZB in Höhe von zwei Prozent hinausschießen könnte.

Die zuletzt gemeldeten Daten zur Verbraucherpreisteuerung in Deutschland für Juli waren mit 3,8 Prozent schon fast doppelt so hoch und die höchste jährliche Inflationsrate seit Dezember 1993.

Deutscher VPI zum Vorjahr

Der Hinweis auf die Anhebung der Umsatzsteuer zum 1. Januar 2021 als Ursache für den Preissprung ist nur teilweise zutreffend. Ein Blick auf die Veränderung der Konsumentenpreise von Monat zu Monat zeigt, dass aktuell ein weiterer Teuerungsschub ganz unabhängig von der Umsatzsteuer stattfindet.

Allein von Juni auf Juli stieg das allgemeine Preisniveau um 0,9 Prozent an.

Deutscher VPI Monatsbasis

Auch der Hinweis auf gestiegene Energiepreise reicht als Erklärung allein nicht aus. Vielmehr wurden in den letzten Wochen und Monaten aus allen Sektoren Preissteigerungen gemeldet, bis hin zum Dienstleistungsbereich.

Ein Blick auf die deutschen Erzeugerpreise, die als zeitlicher Vorlaufindikator für die Konsumentenpreisentwicklung gelten, lässt für die kommenden Monate keine Abkühlung der Teuerungsdynamik erwarten. Mit einem Anstieg um 8,5 Prozent im Juli gegenüber dem Vorjahresmonat bleibt der Druck in der Inflationspipeline vorerst sehr hoch.

deutscher-erzeugerpreis-index-vorjahr-prozent

Der Ketchup-Effekt

Was sich aktuell bei der Preisentwicklung abspielt geht weit über Basiseffekte gegenüber dem Corona-Krisenjahr 2020 hinaus. Vielmehr sehen wir den gefürchteten Ketchup-Effekt: Dabei trifft der während der Pandemie aufgebaute Konsum- und Investitionsrückstau plötzlich auf eine Angebotslage, die wegen eines Mangels an Produktions- und Transportkapazitäten sowie wegen knapper Komponenten und Teile nicht schnell genug auf den Nachfrageschub reagieren kann.

Zusätzlich befeuern die Notenbanken die Preisexplosion bei Immobilien und Mieten. An den Finanzmärkten führt die laxe Geldpolitik zu historisch niedrigen Zinsen, die der Verschuldung massiv Vorschub leistet und die Rohstoffpreise spekulativ ansteigen lässt. Zuletzt explodierten neben den Preisen für Baumaterialien und Energie auch die Nahrungsmittelpreise, v. a. für Kaffee. Die Sorte Arabica verteuerte sich auf Jahresbasis um über 70 Prozent.

Speziell in den USA haben außerdem massiv erhöhte Transferleistungen zu einem Arbeitskräftemangel und deutlich steigenden Löhnen speziell bei Wiedereinstellungen geführt. Nun droht eine Lohn-Preis-Spirale, bei der die Firmen die höheren Lohnkosten an die Endverbraucher weitergeben, die ihrerseits wiederum noch mehr Lohn oder einen Inflationsausgleich durch den Staat verlangen.

Den Notenbanken sind in Sachen Inflationsbekämpfung aber die Hände gebunden, da sie sonst sowohl die Vermögenspreisblase als auch das Schuldenkartenhaus zum Kollabieren bringen würden.

In dieser brisanten Situation droht die Inflation nicht sukzessive anzusteigen, sondern wie der Ketchup aus der Flasche plötzlich in einem großen Schwall zu entweichen.

Für Gold und Silber wird es nun interessant

Heute Nachmittag veröffentlichte Inflationsdaten aus den USA zeigen einen weiter anhaltenden Teuerungstrend. Der von den US-Notenbankern mit Argusaugen beobachtete PCE-Preisindex (Personal Consumer Expenditures) stieg auf Jahresbasis um 4,0 Prozent an. Für den Vormonat wurden ursprünglich 3,9 Prozent jährliche Preissteigerung vermeldet.

Die aktuellen Zahlen markieren den höchsten Stand seit genau 13 Jahren.

Die folgende Grafik zeigt das Ergebnis aktueller statistischer Analysen des New Yorker Vermögensverwalters WisomTree Investment. Interessant ist, dass vor allem bei Inflationsraten über der Zielmarke der Notenbanken die Rohstoffpreise und v. a. der Goldpreis beginnen, die anderen Vermögenspreise in ihrer Entwicklung zu überflügeln.

Inflations Sensitivität verschiedener Vermögenswerte

Fazit und Ausblick

Es zeichnet sich ein spannendes zweites Halbjahr 2021 für Edelmetallinvestoren ab, zumal sich an der verzwickten Lage für die Notenbanken nichts ändern wird, ebenso wenig wie an dem Inflationstrend.

Zudem spricht die Saisonalität für anziehende Edelmetallpreise ab dem dritten Quartal.

Es lohnt sich also, über Gold, Silber und Co. als Vermögensbestandteil nachzudenken bzw. investiert zu bleiben.

Autor: Hannes Zipfel
Ökonom
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von Thorsten | 03.08.2021, 17:01 Uhr Antworten

Edelmetalle, Bergbauunternehmen und Immobilien gehören in jedes Portfolio. Die Schulden sind ohne niedrige Zinsen und damit Inflation untragbar. Es wird genauso weitergehen, denn ansonsten zerbricht der Euro.

von Bankenzwang | 02.08.2021, 13:42 Uhr Antworten

Vielleicht gehören Powell und Lagarde ja zu den Querdenkern. Nur so wäre erklärbar warum quer zu den Vorgaben gelenkt wird.
Man sollte sich dabei allerdings zu Herzen nehmen ob Schäuble Recht hat, der meint, dass wenn die große Mehrheit glaubt richtig zu liegen (und auf einer Scheibe zu leben?), in der Konsequenz wenige Querdenker falsch liegen müssen (und die Möglichkeit einer kugelförmigen Erde in Erwägung ziehen?)...

von Karl H. | 02.08.2021, 15:36 Uhr Antworten

Wie jedes zentralistische Sozialexperiment geht auch dieses langsam, aber absolut planmäßig, in die Unterhose.

You can't fool all the people all the time.

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