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Stand: 28.06.2023 von Hannes Zipfel
Knapp zwei Drittel des schnellen Anstiegs von Anfang März bis Anfang Mai dieses Jahres hat der Goldpreis wieder abgegeben. Nun stehen die Notierungen des gelben Edelmetalls an wichtigen Unterstützungslinien. Werden diese trotz weiterer Zinsstraffungsrhetorik und ungünstiger Saisonalität halten oder geht es noch eine Etage tiefer, bevor auch die Terminmärkte ausreichend bereinigt sind?
Wie gehts weiter beim Goldpreis?

Goldpreis mit anhaltender Korrektur

Für Goldanleger, die sehnsüchtig auf neue Allzeithochs warten, könnte dies ein langer Sommer werden. Momentan besteht aus verschiedenen Gründen am Spot-Markt Korrekturpotenzial bis knapp über die Marke von 1.800 UD-Dollar pro Feinunze (31,1g) bzw. weiteren gut 5 Prozent.

Das würde bei unveränderten Wechselkursen einem Preisniveau von ca. 1.657 Euro pro Unze entsprechen.

Am Mittwoch (15:00 Uhr MESZ) notiert der Goldpreis in Dollar knapp unter dem wichtigen 61,8er-Fibonacci-Level (Goldener Schnitt).

Noch am 4. Mai dieses Jahres hatte der Goldpreis im Zuge der Bankenkrise in den USA und der Schweiz intraday Höchstkurse von 2.081 US-Dollar bzw. 1.871 Euro pro Unze erreicht.

Nach den Rettungsmaßnahmen in Form von Notkrediten und Zwangsfusionen beruhigte sich die Lage und an den Aktienmärkten brach der KI-Hype aus, sodass Gold als sicherer Hafen zunächst in den Hintergrund rückte.

Außerdem belasten die anhaltenden Zinserhöhungen im Euroraum und in den USA die Notierungen.

Goldpreis in Us-Dollar

Die Oszillatoren (Stochastik und Relative Stärke, RSI) befinden sich zwar bereits im "überverkauften" Bereich, aber das Gesamtumfeld bleibt vorerst belastend.

Notenbankertreffen mit klarem Signal

Bei dem jüngsten dreitägigen geldpolitischen Gipfeltreffen im portugiesischen Sintra, zu dem auch der Chef der US-Notenbank, Jerome Powell, geladen war, dominierten die Forderungen nach weiteren Zinserhöhungen in der Euro-Zone und in den USA - unabhängig davon, wie die Konjunktur sich entwickelt und obwohl der Zinsschock bereits deutlich Wirkung in der Realwirtschaft zeigt: Der Euroraum befindet sich bereits in einer Rezession, und in den USA wird diese für das zweite Halbjahr erwartet, wenn die Überschussliquidität aus der Pandemie aufgebraucht ist und die höheren Kreditkosten immer mehr Schmerzen bei Verbrauchern und Unternehmen verursachen.

Für das zinslose Edelmetall Gold sind Aussagen wie die von Frau Lagarde, man werde die Zinsen anheben „koste es, was es wolle“, zunächst keine gute Nachricht, zumal die Inflationsdynamik stagniert und im Zuge der wirtschaftlichen Abschwächung, v. a. in der Euro-Zone, ihren Zenit mit 10,6 Prozent im Oktober letzten Jahres bereits überschritten hat (aktuell 6,1 Prozent, Erwartung für Juni: 5,6 Prozent).

Euro-Zone: Veränderungsrate Verbraucherpreise

Das gleiche Bild ergibt sich für die USA, wo die Verbraucherpreisinflation bereits im Juni letzten Jahres bei 9,1 Prozent ihr Hoch erreichte und im Mai bereits auf 4,0 Prozent zurückgefallen war.

USA: Veränderungsrate Verbraucherpreise

Dabei werden die aggressivsten Zinsanhebungen in der Geschichte der US-Notenbank (Fed) immer mehr zum Bremsklotz. Darauf weist Fed-Chef Powell in Sintra selbst hin:

"Die Auswirkungen [von Zinsschocks] erreichen ihren Höhepunkt etwa 1 oder 2 Jahre nach dem Schock, was darauf hindeutet, dass diese Auswirkungen in den Jahren 2023 und 2024 am stärksten spürbar sein könnten."

Zindanhebungszyklen der FED im Vergleich

Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis dieser Zinsschock auch die hoch verschuldete US-Ökonomie in die Knie zwingt und damit die US-Notenbank zur Kehrtwende. So, wie dies aktuell bereits in Japan, China und Brasilien der Fall ist.

Saisonalität könnte 2023 voll zutreffen

Ab Spätsommer könnte es dann konjunkturell auch in den USA ungemütlich werden, zumal Extrapolationen zeigen, dass die Ersparnisbildung aus den Stimulus-Schecks der US-Regierung aus der Pandemie bis September aufgebraucht ist und ab dann Studentendarlehen auch wieder bedient werden müssen (Zins und Tilgung).

All dies würde den Druck auf die US-Fed und infolgedessen auch auf die EZB erhöhen, wieder in einen lockereren geldpolitischen Modus zu wechseln.

Auf jeden Fall ist die Saisonalität ab Juli ein stützender Faktor, wie diese Statistik von Seasonax zeigt:

Durschnittliche monatliche Veränderung in Prozent

Terminmarkt hat noch Bereinigungspotenzial

Was dennoch, zumindest für die nächsten Wochen, für Druck auf die Goldpreise spricht, sind die Positionierungen der großen Spekulanten an dem bedeutenden US-Terminmarkt Comex (CME Group).

Hier ist die Bereinigung noch nicht ausreichend vorangeschritten, um weiter sinkenden Kursen eine geringere Wahrscheinlichkeit einzuräumen, als steigenden Kursen (Daten werden mit Zeitverzögerung veröffentlicht):

COT Terminmarkt Report für Gold

Der unten rot dargestellte COT-Index befindet sich mit 35 immer noch in der "Verkaufen"-Zone. Frische COT-Daten, die sich im Zuge der jüngsten Kursrückgänge weiter bereinigt haben sollten, werden am Freitag um 22:30 Uhr von der Aufsichtsbehörde CFTC veröffentlicht und beziehen sich dann auf den Stand zum Börsenschluss vom Dienstag dieser Woche.

Fazit

Konjunkturell und mit der Inflationsdynamik geht es bereits abwärts. Dennoch halten die beiden für die Finanzmärkte und auch die Edelmetalle wichtigsten Notenbanken, die US-Fed und die EZB, an ihrem steilen Zinserhöhungspfad fest.

In der Folge wird sich die Rezession in der Euro-Zone noch verstärken und in den USA ab Herbst eine solche beginnen.

Spätestens dann ist das Ende der Zinserhöhungen erreicht und eine erneute Lockerung zur Stabilisierung der Wirtschaft und der Finanzmärkte unausweichlich. Denn nie zuvor war die Weltwirtschaft und insbesondere die der USA so hoch verschuldet und somit zinssensitiv wie aktuell (Gesamtschulden in Höhe von 100,8 Billionen US-Dollar bzw. 395 Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2023, Quelle: US-Fed).

Das zweite Halbjahr dürfte daher, anders als das erste Semester, keine Nullnummer für die Goldpreisentwicklung werden, denn der Stress in der Realwirtschaft und im Bankensystem (Thema Kreditausfälle) nimmt täglich weiter zu und droht in eine neuerliche Krise zu münden.

Der sichere Hafen Gold könnte von einem solchen Szenario signifikant profitieren.

Autor: Hannes Zipfel
Ökonom
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von solider Anleger | 29.06.2023, 11:42 Uhr Antworten

„Für Goldanleger, die sehnsüchtig auf neue Allzeithochs warten, könnte dies ein langer Sommer werden. Momentan besteht aus verschiedenen Gründen am Spot-Markt Korrekturpotenzial bis knapp über die Marke von 1.800 UD-Dollar pro Feinunze (31,1g) bzw. weiteren gut 5 Prozent“
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