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Stand: 25.06.2021 von Hannes Zipfel
Ab 28. Juni treten neue Regularien für europäische Banken im Zuge der Basel III-Reform in Kraft. Für die Finanzinstitute gelten dann verschärfte Liquiditätsanforderungen im Rahmen des „Net Stable Funding Ratio“. Die Regel-Novelle zwingt Banken zum Umdenken beim Thema Gold.
Gold & Basel III - neue Regeln ab 28. Juni 2021

Basel III – was ist das?

Das Basel-III-Abkommen beinhaltet eine Reihe von globalen Finanzreformen, die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht unter der Domäne der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, kurz BIZ, mit Sitz im schweizerischen Basel entwickelt wurden.

Die BIZ umfasst 60 Mitgliedsbanken, die sich ausschließlich aus Zentral- und Notenbanken rekrutieren. Darunter u. a. die Europäische Zentralbank (EZB) sowie die US-Notenbank Fed. Die BIZ wird daher auch als Zentralbank der Zentralbanken bezeichnet.

Der mit der Ausarbeitung der Basel III-Regularien betraute Basler Ausschuss wurde bereits 1974 von den Zentralbankpräsidenten der damaligen G10-Staaten nach schweren Verwerfungen auf den internationalen Währungs- und Bankenmärkten unter dem Dach der BIZ in Basel gegründet.

Mitausschlaggebend dafür war der Bankrott des Bankhauses Herstatt aus Köln im Juni 1974 wegen fehlgeschlagener Devisenspekulationen mit abenteuerlichen Fremdkapitalhebeln. Die Herstatt-Pleite war die bis dahin größte Bankenpleite in der deutschen Geschichte.

Hauptziel der Basel-Regularien war es daher von Beginn an speziell die aus Kreditvergaben resultierenden Risiken für das Bankensystem durch höhere Kapitalpuffer zu reduzieren.

Zu den Ereignissen rund um den Herstatt-Bankrott bietet die ARD-Mediathek noch bis zum 5. August eine sehenswerte deutsche Filmsatire Namens „Goldjungs“ an. Interessanterweise findet die tragische Geschichte dank Gold doch noch ein Happy End für die Protagonistin des Films.

Die unendliche Geschichte

Seit seiner Gründung hat der Basler Ausschuss seine Mitgliedschaft von den G10 auf 45 Institutionen aus 28 Jurisdiktionen erweitert. Ausgehend vom Basler Konkordat, das erstmals 1975 herausgegeben und seitdem mehrmals überarbeitet wurde, hat der Ausschuss eine Reihe internationaler Standards für die Bankenregulierung festgelegt, insbesondere die wegweisenden Veröffentlichungen der Abkommen über die Kapital-Adäquanz, allgemein auch bekannt als Basel I, II und III. Mittlerweile wird an einer vierten Regelnovelle gearbeitet.

Die Basel-III-Novelle wurde durch die Lehman-Pleite und die sich anschließende Welt-Finanzkrise im Jahr 2009 initiiert.

Die neuen Regeln sollen die Banken durch drei übergeordnete Ziele widerstandsfähiger gegen Kredit- und Finanzkrisen machen:

  1. Höhere Eigenkapitalrücklagen

  2. Klar definierte Verschuldungsgrenzen

  3. Höhere Liquiditätsanforderungen

Nachdem bereits im Jahr 2010 die vorläufige Endfassung zur dritten Basel-Novelle vorlag, folgte erst ab 2013 sehr zögerlich die Umsetzung. Durch permanente Verzögerungen, auch wegen der Corona-Krise und wegen massiver Interventionen vonseiten der Bankenlobby wird mit der vollständigen Implementierung von Basel III nun frühestens im Januar 2023 gerechnet.

Spötter sehen die Regel-Novelle daher nur als „Show-Element“ zur Beruhigung der Bankkundschaft. Viele potenzielle Krisenszenarien, so z. B. ein Scheitern der Eurozone, würden das Bankensystem auch unter Basel III überfordern.

Die ab 28. Juni in Kraft tretenden Neuerungen betreffen nun v. a. die Liquiditätsanforderungen bei bestimmten Geschäften, u. a. mit Gold.

Die neuen NSFR-Vorschriften

Die goldene Regel des Bankgeschäfts besagt, dass eine Fristenkongruenz zwischen der Refinanzierung des Vermögens und der Haltedauer des Vermögens bestehen muss. Andernfalls droht das Risiko, dass Banken nicht mehr in der Lage sind, sich kurzfristig zu refinanzieren, um Kredite auszureichen, die dann als langfristige Forderungen (Aktiva) in der Bilanz verbucht werden.

Dies gilt auch für den kurzfristig finanzierten Kauf von Vermögenswerten, die langfristig gehalten werden sollen. Scheitert die kurzfristige Anschlussfinanzierung, müssen Aktiva zwangsverkauft (verschleudert) werden.

Die Relevanz der Liquidität wurde durch den Verlauf der Finanzmarktkrise 2007 offensichtlich. Durch Verwerfungen an den Finanzmärkten waren viele Banken mit Liquiditätsengpässen konfrontiert. Aufgrund eines wachsenden Misstrauens der Banken untereinander kam es im Jahr 2009 zu einem Austrocknen des Interbankenmarktes.

Liquidität war im Zuge der Finanzmarktkrise nicht länger de facto unbegrenzt und kostengünstig am Markt erhältlich, woraus massive Probleme bei der Liquiditätsbeschaffung resultierten.

Es zeigte sich, dass Banken trotz angeblich komfortabler Kapitalausstattung durch das Einfrieren des Interbankenmarktes in Schieflage gerieten, so z. B. die Lehman-Bank. Als Reaktion darauf wurden mit Basel III nun erstmals einheitliche Liquiditätsstandards für Kreditinstitute festgelegt, die bisher nicht existierten.

Im Zuge der für den 28. Juni anstehenden Umsetzung der nächsten Stufe der Basel-Reform werden europäische Banken daher mit neuen Liquiditätsanforderungen konfrontiert, dem sogenannten Net Stable Funding Ratio (NSFR).

Banken betreiben ihr Geschäft hauptsächlich durch sogenannte Fristentransformation (aus kurz mach lang). Die in der Regel kurzfristig günstigeren Refinanzierungskonditionen werden von den Finanzinstituten genutzt, um langfristige und i. d. R. illiquide Vermögenswerte zu refinanziert.

Damit geht jedoch stets das Risiko einher, dass im Falle eines Versiegens der kurzfristigen Finanzierungsquellen die Anschlussfinanzierung fehlschlägt und die langfristigen Vermögenswerte, u. a. Kreditforderungen oder Gold, verkauft werden müssen.

Die NSFR soll die Fristentransformation weniger anfällig für dieses Risiko machen. Dazu bewertet sie die Refinanzierungsstruktur eines Finanzinstituts.

Die Kennzahl NSFR soll sicherstellen, dass langfristige Vermögenswerte unter Berücksichtigung ihrer Liquidierbarkeit auch durch ebenso langfristige und stabile Finanzmittel refinanziert werden (sog. Fristenkongruenz).

Bei der Berechnung des NSFR wird allerdings bereits eine Restlaufzeit ab einem Jahr als langfristig definiert.

Im Grunde soll die NSFR die Fristentransformation, die bereits des Öfteren der Auslöser für Bankenpleiten war, begrenzen und die strukturelle Liquidität innerhalb eines einjährigen Zeitraums sicherstellen.

Ab dem Stichtag 28. Juni wird die NSFR-Regel nun „scharfgeschaltet“. Sie gilt dann für Banken in der Europäischen Union ab dem 1. Juli und für Banken im Vereinigten Königreich ab 1. Januar 2022. Die verzögerte Umsetzung in UK ist auch auf Interventionen durch Lobbygruppen zurückzuführen.

Was bedeutet das konkret für Gold?

Das Ziel, Banken dazu zu verpflichten, langfristig gehaltene Vermögenswerte auch mit langfristigem Geld zu refinanzieren, um Liquiditätsausfälle zu vermeiden, betrifft alle Bankverbindlichkeiten und alle Aktiva – auch Gold.

Die neuen Regeln werden sich zudem auf Banken mit nicht individuell zugewiesenem Gold auswirken. Individuell zugewiesenes Gold gehört in physischer Form wie Münzen oder Barren direkt einem Investor. Nicht zugewiesenes Gold oder Papierkontrakte befinden sich oft im Besitz von Banken (Bank-Aktiva), aber Anleger haben Anspruch auf dieses Gold und vermeiden so vermeintlich Lager- und Liefergebühren.

Nicht zugeteilte und in Sammelverwahrung gehaltene Goldbestände finden sich auch in den weltweit bei Banken und Kunden gleichermaßen beliebten Goldkonten wieder.

Das Problem bei der Sammelverwahrung besteht darin, dass es bis heute gängige Praxis ist, mehr Edelmetall auf Goldkonten zu buchen, als tatsächlich physisch in den Tresoren der Banken vorhanden ist.

Bei einer individuellen Zuordnung der Metalle auf Goldkonten, z. B. anhand von Barrennummern, ist dies nicht möglich bzw. würde offen den Tatbestand des Betrugs erfüllen.

Nach den neuen Regeln wird nicht zugewiesenes Papiergold, das automatisch als Vermögenswert der Bank gilt, als riskanter eingestuft als individuell zugeordnetes physisches Gold im tatsächlichen Besitz der Kunden.

Die Bestände an nicht zugewiesenem Gold müssen nun gemäß der NSFR aufgrund des Liquiditäts- und Refinanzierungsrisikos durch deutlich mehr Eigenkapital hinterlegt werden.
Die neuen Anforderungen gemäß der Liquiditätsquote NSFR bedeuten konkret, dass die Banken entweder ihr Goldgeschäft reduzieren, mehr Kapital zur Hinterlegung nicht zugeordneter Goldbestände bereitstellen oder für eine Volldeckung der Kundenansprüche mit Gold sorgen und diese Bestände individuell zuordnen. Diese drei Optionen beinhalten unterschiedliche Auswirkungen auf den Goldmarkt, je nachdem, wie die Banken sich entscheiden.
  • Verringert man die Aktivitäten in diesem Bereich, wandern die Kunden ab und wählen andere Möglichkeiten, physisch in Gold zu investieren. Sofern dabei die richtige Wahl im Sinne eines direkten Besitzes getroffen wird, wäre dies durchaus positiv für die Nachfrage am Goldmarkt.

  • Die Zentralbanken haben dabei sicher ungewollt eine Vorbildrolle eingenommen, indem sie ihre Goldreserven in den letzten Jahren aus Sammelverwahrung in die Eigenverwahrung (eigene Tresore) überführt haben.

  • Kaufen die Banken das zur Deckung der Forderungen nötige Gold nach, wäre dies auch positiv für den Goldmarkt und würde zumindest stabilisierend auf den Goldpreis wirken.

Entscheiden sich die Bankmanager für die Aufstockung der Kapitalhinterlegung, ginge der Effekt am Goldmarkt vorbei.

Analysten der Bank of Amerika sind skeptisch und halten es für unwahrscheinlich, dass Banken nicht zugewiesenes Gold durch direkt gekauftes Gold ersetzen.

Ob sich alle Banken so entscheiden und ob diese Entscheidung klug ist, das werden wir in Kürze erleben.

Klar ist, dass zumindest im professionellen Handel bzw. im institutionellen Trading eine 100-ige Hinterlegung des Metalls nicht sinnvoll erscheint. Im Geschäft mit Privat- und Firmenkunden sieht das aber schon ganz anders aus. Und so werden die Banken auch je nach Schwerpunkt ihres Geschäfts und gemäß den Wünschen ihrer Klientel differenziert auf die neuen Basel III - Regeln reagieren.

Fazit und Ausblick

Fakt ist, dass die ab Montag in Kraft tretenden NSFR-Regeln dazu führen, dass es für Banken deutlich teurer wird, nicht zugewiesenes Gold zu halten.

Zudem werden die neuen Regeln die Kosten für die Abwicklung von Geschäften mit nicht zugewiesenem Gold verteuern.

Gegner der Novelle argumentieren, dass diese Änderungen den Goldhandel für jeden in der Branche, also entlang der gesamten Wertschöpfungskette, verteuern werden. Dadurch würden die Goldpreise steigen und das Edelmetall als Vermögenswert an Attraktivität einbüßen.

Dies widerspricht allerdings dem empirisch belegten Effekt, dass Vermögenswerte, anders als Konsumgüter, mit steigenden Preisen an Attraktivität gewinnen und nicht verlieren. Andernfalls wären Spekulationsblasen mit irrationalen Preisübertreibungen bei Vermögenswerten undenkbar.

Natürlich kann ein möglicher Effekt die Verteuerung der Finanzierung von Goldmünzen und Barren für Händler sein. Auch kann es zu Stress am Goldmarkt durch einen Nachfrageschub kommen, im Zuge dessen die Aufgelder und Spreads für Goldbarren und Münzen ansteigen.

Aber mit diesem Szenario waren Goldinvestoren schon oft konfrontiert.

Zumal steigende Goldpreise vor allem im Bereich der Investitionsnachfrage regelmäßig zu massiven Zuflüssen z. B. in mit physischem Gold gedeckte oder synthetisch mit Gold besicherte Fonds führen. Investoren schrecken steigende Goldpreise nicht ab.

Nur Banken, die offene und unbesicherte Goldverbindlichkeiten in den Büchern halten.

Schlussendlich zeigt auch diese Basel-Novelle das Dilemma der Banken: Sobald sie versuchen, sich krisenfester aufzustellen, geht dies zulasten ihrer Gewinnmargen – ein klarer Interessenskonflikt. Dieser erklärt auch die anhaltenden und zum Teil vehementen Widerstände der Bankenlobby gegen Basel III.

Bezogen auf das Goldgeschäft bedeutet es die Beschränkung bzw. Verteuerung der Möglichkeit, ungedecktes Papiergold statt physischer Ware in Umlauf zu bringen.

Grundsätzlich ist die nun in Kraft tretende neue Basel-Regel aus Sicht eines bereits investierten Goldanlegers zu begrüßen.

Ob der Goldpreis kurzfristig sofort auf die Novelle reagiert, ist ungewiss, da die Kursbildung von vielen Faktoren abhängt.

Dass die neuen Liquiditätsanforderungen der Beliebtheit des gelben Edelmetalls oder gar der säkularen Hausse bei Gold schaden, gehört wohl ins Reich der Fantasie einiger um ihre Gewinnmargen bangender Banker.

Autor: Hannes Zipfel
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von Schacht | 17.01.2022, 15:29 Uhr Antworten

Auf Dauer werden starke Banken selbst physische Bestände halten und weiter ausbauen, da sie so ihr Eigenkapital unabhängig vom Kapitalmarkt erhöhen können.

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