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Stand: 02.11.2021 von Hannes Zipfel
Sowohl die Einzelhandelsumsätze in Deutschland als auch das Konsumklima der GfK von letzter Woche zeigen ebenso wie die aktuellen Einkaufsmanagerindizes aus den USA weiter steigende Preise und eine sich abschwächende Wirtschaftsdynamik an. Doch der Markt glaubt immer noch felsenfest an das Mantra der Zentralbanken, die Inflation sei temporär und kontrollierbar.
Inflation: Die Datenlage verdichtet sich

Für den Rest dieser Woche werden neue Beweise für die weitaus realistischere These einer nachhaltigen Stagflation erwartet.

Kurz in eigener Sache: Feiertagsbedingt erscheint der Wochenausblick in der KW 44 mit einem Tag Verzögerung. Die verbleibenden Wochentage halten gleichwohl sehr spannende Termine bereit:

  1. Kollaps der Fahrzeugverkäufe (neu und gebraucht)

  2. Explosion der Gebrauchtwagenpreise (Manheim Used Vehicle Value index)

  3. US-Einkaufsmanagerindizes am Dienstag

  4. Offenmarktausschusssitzung der US-Notenbank Fed (FOMC) am Mittwoch

  5. Auftragseingang der Industrie in Deutschland am Donnerstag

  6. Turnusmäßige Sitzung des OPEC-Öl-Kartells am Donnerstag

  7. "Große“ Arbeitsmarktzahlen aus den USA am Freitag

Pawlow hätte seine wahre Freude

Obgleich man mittlerweile konstatieren muss, dass weder rekordtiefe Realzinsen, noch rekordhohe Schulden oder Inflationsraten wie vor 40 Jahren sowie die völligen Fehleinschätzungen hochrangiger Notenbanker die Marktteilnehmer aus der Ruhe bringen, reagieren sie auf Schlüsselwörter wie

„Tapering“ oder „Zinserhöhungen“

wie die berühmten pawlowschen Hunde, obwohl den Zentralbanken über die Verbalakrobatik hinaus die Hände gebunden sind und sie ihren Worten keine nennenswerten Taten folgen lassen können.

Der russische Forscher und Nobelpreisträgers für Medizin Iwan Petrowitsch Pawlow (26. September 1849 bis 27. Februar 1936) und Erfinder des Pawlowschen Effekts hätte seine Freude an der erfolgreichen Konditionierung der Finanzmarktakteure durch die verantwortlichen Geldpolitiker von den Zentral- und Notenbanken.

Auch ohne eine einzige Aktion gegen die dynamisch ansteigende Inflation zu unternehmen, reichen verbale Ankündigungen aus, um eine gewünschte Reaktion auszulösen.

So erneut geschehen anlässlich der jüngsten EZB-Ratssitzung am vergangenen Donnerstag, wo bei der anschließenden Pressekonferenz die EZB-Präsidentin Christin Lagarde das Wort Inflation mehr als üblich in den Mund nahm, ohne gleichzeitig zu erläutern, wie man diese mit den Instrumenten der Geldpolitik zu bekämpfen gedenkt.

Daraufhin schoss der Wechselkurs Euro vs. US-Dollar in Erwartung steigender Euro-Zinsen nach oben. Der Goldpreis, der sich zunächst stabil halten konnte, wurde anschließend nach der Erkenntnis der Sinnlosigkeit der Euro-Rallye gnadenlos mit der Gemeinschaftswährung mit nach unten gedrückt – was für eine Farce.

Zwar stellte Madame Lagarde auch das Ende des sehr flexiblen und 1,85 Billionen schweren Anleihekaufprogramms zum Ultimo März 2022 in Aussicht, behielt sich aber die Fortführung der Wertpapierkäufe über das genannte Datum hinaus via dem nach wie vor aktiven APP-Programm vor.

Die Geldpolitiker verstehen es analog zu Herrn Pawlows Methodik auf der psychologischen Klaviatur der Marktteilnehmer perfekt zu spielen.

Die Medien werden zunehmend skeptisch

Die Frage ist nur – wie lange dies noch gelingt, denn der Gegenwind, auch aus der Boulevardpresse, nimmt mit jeder noch höheren Inflationszahl bei gleichzeitiger Passivität der Geldpolitiker zu. So bezeichnete jüngst die in Deutschland auflagenstärkste Boulevardzeitung die Präsidentin der EZB als

„Madame Inflation“.

Es besteht also die Hoffnung, dass der Realitätssinn der Bevölkerung in Sachen Inflation doch noch nicht ganz unter den komplexen Fachtermini und der Scheinkomplexität des Notenbanksprechs verloren gegangenen ist.

Zu dieser Hoffnung passt auch der Beitrag eines Redakteurs des Handelsblatts, das nicht gerade als Zentralorgan der Goldvermarktung und EZB-Kritik bekannt ist:

„Dass sich die EZB ein Beispiel an den Schwellenländern nimmt und ihre Geldpolitik in absehbarer Zeit wieder strafft, daran hat der Handelsblatt-Redakteur Jens Münchrath seine Zweifel – vor allem aus zwei Gründen, für die es inzwischen sogar Fachbegriffe gibt:

  1. Fiskaldominanz“: Die Notenbanker stehen unter Druck, auf jene Finanzminister Rücksicht zu nehmen, die bei langfristig steigenden Kapitalmarktzinsen nicht mehr in der Lage sein könnten, ihre Schulden zu refinanzieren.

    Diesen Trend gab es mit Blick auf die südeuropäischen Staaten bereits während der Euro-Krise. Die Pandemie hat das Problem dramatisch verschärft.

  2. Finanzdominanz“: Die Märkte haben sich an das Geld zum Nulltarif derart gewöhnt, dass eine schnelle Entwöhnung unweigerlich zum Crash und einem volkswirtschaftlich großen Schaden in der Folge führen würde.

Sein Fazit: „So manches spricht dafür, dass 2021 als das Jahr in die Finanzgeschichte eingehen wird, in dem die Inflation, die anderthalb Dekaden wie durch ein Wunder verschwunden war, in die industrialisierte Welt zurückkehrte.“

Diese Feststellung von Herrn Münchrath ließe sich ohne Weiteres auf die anderen drei mächtigen Zentralbanken US-Fed, PBoC und BOJ erweitern.

Willkommen in der "modernen" Ära der "unkonventionellen“ Geldpolitik. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihre Groß- und Urgroßeltern.

In dieser Woche empfiehlt es sich vor allem, bei den zum Teil noch oberflächlich positiv aussehenden Einkaufsmanagerindizes aus Deutschland, den USA, China und Japan aus den Sektoren Industrie und Dienstleistungen auf die beiden Unterkomponenten Preisentwicklung und Lieferzeiten zu achten.

Bereits bei den letzten Veröffentlichungen zeigten sich speziell anhand dieser beiden Datenkomponenten klare Hinweise auf eine unverminderte Fortsetzung des Teuerungsdrucks bei gleichzeitig anhaltender Störung der Lieferketten – ein ideales Umfeld für das oft zitierte und das monetäre Gold durchaus preislich konstruktive Umfeld einer Stagflation.

Alle marktrelevanten nationalen und internationalen Veröffentlichungstermine für Wirtschaftsdaten in der KW 44 inklusive Vorabschätzungen und historischer Statistiken sind hier einsehbar.

Autor: Hannes Zipfel
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von Dr. Walter Winhard | 08.11.2021, 12:25 Uhr Antworten

Ich kann nur zustimmen. Ich ahne auch schon, wie es weitergeht.
Sinkt die Inflationsrate nicht im nächsten Jahr auf die gewünschten 2%, sondern bleibt sie hoch, wird Frau Lagarde sagen: "Wir müssen Geduld haben. Ich bin sicher, dass die Inflation auch wieder sinken wird." Wenn wir dann einer Hyperinflation oder Stagflation bekommen und der Schaden für den Euroraum gewaltig wird, tritt sie ab, bekommt eine tolle Pension und eine Nachfolgerin bzw. ein Nachfolger soll dann ein Wunder bewirken und den Karren aus dem Dreck ziehen.

von Maik Roenneburg | 04.11.2021, 21:20 Uhr Antworten

einfach immer passend ihre Analysen.
Hervorragend. Danke mal wieder

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